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Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums

Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums

Titel: Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums
Autoren: Walter Jon Williams
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gingen. Falls eine solche Liste existierte, geriet sie jedoch nicht auf Martinez’ Schreibtisch, und er war zu klug, um bei Gupta nachzufragen.
    Im Laufe des Tages ging bei Martinez eine persönliche Nachricht ein, die jedoch leider nicht von Stabsfeldwebel Taen stammte, sondern von seiner Schwester Vipsania. Ihr Gesicht erschien auf dem Bildschirm, sie warf mit genau einstudierter Bewegung die dunklen Haare zurück und sagte: »Nächsten Monat geben wir eine Party.« Sie führte sich, wenn das überhaupt möglich war, noch affektierter auf als bei ihrem letzten Gespräch. »Wir würden dich ja gern einladen, mein liebster Bruder, aber du hast vermutlich zu viel zu tun.«
    Martinez antwortete gar nicht erst, denn er hatte die Anweisung, für die Party auf keinen Fall Zeit zu haben, verstanden. Der »liebste Bruder« war ein deutlicher Hinweis gewesen.
    Vipsania und seine beiden anderen Schwestern Walpurga und Sempronia waren ein paar Monate, nachdem er den Dienst auf seinem derzeitigen Posten angetreten hatte, in Zanshaa eingetroffen. Sie hatten die Hälfte des
alten Shelley-Palasts gemietet und sich ins gesellschaftliche Leben der Hauptstadt gestürzt. Sempronia besuchte angeblich die Universität, während die anderen beiden auf sie aufpassten, doch falls dort überhaupt irgendeine Art von Fortbildung stattfand, beruhte sie mit Sicherheit nicht auf Lehrbüchern.
    Martinez’ letzte Erinnerungen an seine drei Schwestern rührten noch aus ihrer Kindheit her. Nervige, kluge, raffinierte Biester, aber irgendwie eben doch Kinder. Die wundervollen jungen Frauen, die nun im Shelley-Palast Hof hielten, waren nicht einfach nur erwachsen, sondern eher alterslos geworden - wie Nymphen, die einen Brunnen zierten, waren sie ewig und standen auf eine seltsame Weise außerhalb der Zeit.
    Man hätte meinen können, dass sie Martinez’ Hilfe gebraucht hätten, um sich in der Hauptstadt einzurichten, doch sie waren mit Empfehlungsschreiben ausgestattet gewesen und hatten seine Unterstützung nicht benötigt. Im Gegenteil - sie wollten sogar, dass er ihnen fernblieb. Den Akzent aus Laredo hatten sie beim Erwachsenwerden irgendwann abgelegt, und nun erinnerte sie nur noch die Sprechweise des Bruders an ihre gemeinsame Herkunft aus der Provinz. Diese Peinlichkeit wollten sie sich im Beisein ihrer neuen illustren Freunde nicht zumuten.
    Manchmal fragte sich Martinez, ob er seine Schwestern hasste. Doch was kümmerte es eine Brunnennymphe, ob jemand sie mochte oder nicht? Sie war einfach, was sie war.

    Als Enderby sein Pensum erledigt hatte, war die Sonne schon untergegangen, und der silberne Beschleuniger von Zanshaa stand halb verdeckt vom Planetenschatten über ihnen, nur noch auszumachen dank der vielen im Bogen angeordneten Lichter am dunklen Himmel. Draußen vor dem gekrümmten Fenster jagten Nachtvögel Insekten. Unter Martinez’ Achseln und im Kragen seiner dunkelgrünen Uniformjacke hatte sich beißender Schweiß gesammelt, außerdem tat ihm das Steißbein weh. Wie gern hätte er jetzt geduscht und sich von Stabsoffizier Taen mit langen, kundigen Fingern die Schultern massieren lassen.
    Flottenkommandeur Enderby unterzeichnete einige ausgedruckte Dokumente und besiegelte sie mit seinem Daumenabdruck. Wenn nötig, fungierten Martinez und Gupta als Zeugen. Dann schaltete Enderby seine Bildschirme ab, stand auf und ließ so ausgiebig, wie er es mit seiner würdevollen Haltung vereinbaren konnte, die Schultern kreisen.
    »Danke, meine Lords«, sagte er. Dann wandte er sich an Martinez. »Leutnant, könnten Sie dafür sorgen, dass die Einladungen an die Schiffskommandanten ausgeliefert werden?«
    Martinez sank das Herz. Die »Einladungen« waren von jener Art, die kein Offizier ausschlagen konnte, und betrafen die Sitzung, auf der am Todestag des Großen Meisters neue Befehle an die Flotte erlassen würden. Dummerweise gebot es die Tradition, dass diese Einladungen persönlich überbracht werden mussten.

    »Jawohl, mein Lord«, sagte er. »Ich bringe sie zum Ring hinauf, sobald mir der Ausdruck vorliegt.«
    Der Flottenkommandeur richtete die freundlichen braunen Augen auf ihn. »Es ist nicht nötig, dass Sie selbst fahren«, erwiderte er. »Schicken Sie doch einen der wachhabenden Kadetten.«
    Wenigstens eine kleine Gnade. »Danke, Lordkommandeur.«
    Der Unterleutnant Gupta nahm in Habachtstellung Enderbys dankende Worte entgegen und ging hinaus. Martinez versorgte den Drucker mit extra dickem Büttenpapier, zu dessen
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