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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt
Autoren: Nancy Grossman
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auf der Theke ab und drehte mich zu ihr um. »Ich fürchte, ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    Mrs Aster lächelte mich an und stützte sich mit den Ellbogen auf der Theke ab. »Wenn jemand einen Hintergedanken hat, dann bedeutet das, dass er hofft, durch sein Verhalten etwas zu gewinnen. Auch ich habe gehofft, etwas zu gewinnen, als ich diese Frage gestellt habe.«
    »Und was wollten Sie gewinnen?«
    Sie lachte leise. »Dich.«
    Der Teekessel pfiff, und ich drehte den Knopf, um die Platte auszuschalten. Ich wandte mich wieder der Frau zu. »Mich?«
    »Mein Kindermädchen verlässt mich am Ende der Woche und ich möchte ein neues einstellen. Als ich gestern Abend gesehen habe, wie du deiner Mutter geholfen hast, kam mir der Gedanke, dass du auch mir helfen könntest. Dann fiel mir auf, dass du mir bekannt vorkamst, deshalb habe ich dich nach deiner Arbeit gefragt. Und musste all meine Hoffnungen begraben.«
    Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte, doch jetzt entwich sie durch meine Lippen. »Sie wollen einen Babysitter einstellen?«
    Sie nickte. »Weißt du, ich mache gerade meinen Uniabschluss, und ich brauche ein bisschen Hilfe mit den Kindern, damit ich meine Abschlussarbeit fertig schreiben kann. Ehrlich gesagt bin ich nur hier, um mit meiner Arbeit voranzukommen, ohne dass meine Familie mich stört. Es war ein Geschenk von meinem Mann. Eine Woche weg von zu Hause, um zu schreiben.«
    Ich versuchte, meine zitternden Hände still zu halten, während ich das heiße Wasser in die Teekanne goss und den Teekessel wieder auf den Herd stellte. Meine Eltern würden mir niemals erlauben, von zu Hause auszuziehen und für jemanden zu arbeiten, den sie nicht kannten, rief ich mir in Erinnerung. Ich nahm einen Teebeutel und ließ ihn in das heiße Wasser plumpsen.
    Ich stellte die Teekanne samt einer Tasse und ein paar Päckchen Zucker auf ein kleines Tablett. Mrs Asters Blick suchte meinen. Ihre Augen glänzten golden, wie Honig.
    »Wie viele Kinder haben Sie denn?«, fragte ich.
    »Zwei«, antwortete sie. »Ben ist acht und Janie fünf.«
    Ich versuchte, mir irgendetwas einfallen zu lassen, was ich der Frau erwidern konnte, aber ich wusste, dass ich die Möglichkeit, für sie zu arbeiten, erst mit ihr diskutieren konnte, wenn ich mit meinen Eltern darüber gesprochen hatte. Die Unterhaltung fand daher ein viel zu schnelles Ende und Mrs Aster trug ihr Tablett nach oben. Während ich Staub wischte, hörte ich ihre Worte noch einmal in meinem Kopf. Ich wusste nicht, wo sie wohnte, aber es musste immerhin so weit weg sein, dass sie in der Pension übernachtete, anstatt jeden Abend nach Hause zu fahren. Dies konnte meine Chance sein, von hier fortzukommen.
    Den ganzen Morgen über beobachtete ich das Kommen und Gehen der Gäste und hoffte, Mrs Aster noch einmal zu sehen. Später, als ich die Gästezimmer sauber machte, antwortete eine vertraute Stimme auf mein Klopfen. Mrs Aster saß aufrecht auf ihrem Himmelbett, ein kleines Gerät mit Schreibmaschinentasten auf dem Schoß. Mehrere aufgeschlagene Bücher lagen auf dem Bett verstreut. Sie schob sie beiseite, als ich eintrat.
    »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Ich kann auch später wiederkommen.«
    Sie sammelte die Bücher ein, packte sie in eine Stofftasche, die neben dem Bett stand, und klappte den Deckel ihres Schreibmaschinengeräts zu. »Du kannst ruhig tun, was du hier drin zu erledigen hast«, sagte sie. »Ich verschwinde für eine Weile.« Während ich dabei zusah, wie Mrs Aster sich die Stofftasche über die Schulter hängte, versuchte ich, den nötigen Mut aufzubringen, ihr das zu sagen, was ich ihr sagen wollte.
    Ich räusperte mich und atmete zitternd ein. »Wenn Sie einen Moment Zeit hätten, würde ich gerne mit Ihnen über das sprechen, was Sie vorhin gesagt haben. Darüber, dass ich als Kindermädchen für Sie arbeiten könnte.«
    Mrs Aster setzte sich auf die Bettkante und schlang ihre Arme um die Stofftasche. »Suchst du einen neuen Job?«
    »Ich habe darüber nachgedacht.«
    »Ich wohne in der Nähe von Chicago. Das sind von hier etwa drei Stunden mit dem Auto. Was würden deine Eltern denn davon halten, wenn du so weit von zu Hause weg wohnen würdest?«
    »Darüber müsste ich noch mit ihnen sprechen«, erwiderte ich und suchte nach den richtigen Worten. Dann erinnerte ich mich wieder daran, was meine Mutter den Gästen am Abend zuvor gesagt hatte. »Sie möchten, dass ich mehr von der Welt sehe.«
    »Meinst du, ich
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