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Draußen wartet die Welt

Draußen wartet die Welt

Titel: Draußen wartet die Welt
Autoren: Nancy Grossman
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zerrte mich zur Haustür hinaus auf die Veranda. Neugierig setzte ich mich auf die Verandaschaukel und er ließ sich neben mir nieder. »Hör zu«, begann er. »Ich habe einen Teil deiner Unterhaltung mit Mom gehört.«
    Ich senkte meinen Blick und stieß einen Seufzer aus. »Es ist, als würde man mit dem Baum da sprechen«, sagte ich und deutete auf eine Eiche, die unserem Hof Schatten spendete. »Nur dass ich glaube, dass der Baum mir auch wirklich zuhören würde.«
    James lachte. »Du sprichst eben mit dem falschen Baum.«
    Ich drehte mich um und sah ihn an. Er hatte ein verschmitztes Lächeln im Gesicht. Sein Strohhut warf einen Schatten über seine braunen Augen. »Geh zu Dad«, sagte er. »Mom wirst du nie davon überzeugen, dass du von zu Hause ausziehen darfst, aber Dad kann dir vielleicht helfen. Er hat sie auch überredet, mich gehen zu lassen.«
    »Du bist ein Junge«, erwiderte ich. »Bei dir war das etwas anderes.«
    »So anders auch wieder nicht. Sie wollte auch nicht, dass ich gehe. Sie dachte, das würde keinen guten Eindruck machen. Und dass ich da draußen zu vielen Versuchungen ausgesetzt sein würde.«
    »Und, warst du?«
    »Klar«, sagte er mit einem Lächeln. »Ich war durchaus in Versuchung.«
    »Aber du bist wieder nach Hause gekommen.«
    Er nickte. »Das bin ich.«
    Ich wartete ab, ob er noch etwas sagen würde. Seit er von seiner Ausbildung zurückgekehrt war, wollte ich unbedingt mehr über seine Zeit fort von zu Hause hören, aber er hatte fast alles für sich behalten. »Ich bin zurückgekommen, weil Dad mich in der Schreinerei braucht. Ich habe immer gewusst, dass ich irgendwann dort arbeiten würde. Aber ich bin froh über die Zeit, die ich von zu Hause weg war.« Er hielt inne, wandte sich ab und blickte auf den Hof und den staubigen Pfad, der zur Schreinerwerkstatt führte. Er sprach weiter, ohne mich anzusehen, und seine Worte waren ruhig, aber eindringlich. »Du musst es selbst erleben«, sagte er. »Und dafür brauchst du Dad auf deiner Seite.« Er drehte sich wieder zu mir um und unsere Blicke trafen sich.
    »Verstehe«, flüsterte ich. »Danke.«
    Während ich den Tisch deckte, dachte ich über James’ Worte nach. Ich war gar nicht auf die Idee gekommen, dass mein Vater derjenige war, an den ich mich wenden sollte. Mein Vater saß während der Mahlzeiten am Kopf des Tisches, und er zog an meinem Pferdeschwanz, wenn er mir einen Gutenachtkuss gab. Er hielt die Zügel, wenn wir zusammen mit der Kutsche fuhren, und stellte die Bänke auf, wenn wir an der Reihe waren, den Sonntagsgottesdienst abzuhalten. Aber wann immer ich eine Frage stellte, erwiderte er: »Geh und frag deine Mutter. Sie weiß das.« Deshalb hatte ich es mir irgendwann abgewöhnt, mich an ihn zu wenden. Aber wenn er James dabei geholfen hatte, die Erlaubnis zu erhalten, von zu Hause fortzugehen, vielleicht konnte er dann ja dasselbe für mich tun.
    Als ich den Tisch gedeckt hatte, ging ich in die Küche. Meine Mutter blickte vom Herd auf und sagte: »Du kannst deinem Vater ausrichten, dass das Abendessen bald fertig ist.« Es war genau die Ausrede, die ich brauchte, um ein wenig Zeit mit ihm in seiner Schreinerei zu verbringen. Ich eilte den Pfad entlang und hoffte, dass James recht behalten würde. Ich hoffte, dass mein Vater mich verstehen würde.
    Die Luft war staubig, als ich die Werkstatt betrat. Ich musste einen Moment warten, bis meine Augen sich daran gewöhnt hatten, und atmete den feuchten Duft von Sägemehl ein. Der Boden war mit halb fertigen Arbeiten und übereinandergestapelten Holzteilen in den unterschiedlichsten Größen übersät. In einer Ecke bewahrte mein Vater fertige Möbelstücke auf, um sie seinen Kunden zu zeigen – ein Bücherregal mit versetzbaren Böden, einen Schreibtisch mit winzigen Fächern und einen Schaukelstuhl, wie er auch in unserem Wohnzimmer stand.
    Mein Vater stand über die Hobelmaschine gebeugt und steckte Kanthölzer hinein. Wenn sie auf der anderen Seite wieder herauskamen, war die Oberfläche des Holzes ganz glatt. Er schaute auf, als er mich bemerkte, und betätigte den Hebel, um die Maschine anzuhalten. Das Dröhnen der Hobelmaschine erstarb, und es war nur noch das Brummen des Hydraulikmotors zu hören, der sie antrieb.
    »Ist das Abendessen fertig?«
    »Fast«, antwortete ich. »Soll ich dir helfen, damit du schneller fertig wirst?« Als ich kleiner war, hatte mein Vater mich immer auf der anderen Seite der Hobelmaschine stehen lassen, um die Hölzer
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