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Dramen

Titel: Dramen
Autoren: Frank Wedekind
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verschwinden.
    VEIT KUNZ.
    Wie konnten Sie denn aber nicht wissen, daß Königliche Hoheit das Stück selber geschrieben haben und selber als Darsteller darin auftreten?
    POLIZEIPRÄSIDENT.
    Ein Herzoglich Rotenburgischer Polizeipräsident, mein lieber Herr, hat nicht die Verpflichtung, allwissend zu sein!

Vierter Akt
Siebentes Bild
    Nacht. Sternenhimmel. Eine schmale Steintreppe ohne Geländer zieht sich unter Kastanienbäumen schräg an einem Wiesenabhang hinauf. In der Mitte ein breiter Treppenabsatz. – Veit Kunz und Franziska, beide in hellen Sommerkleidern, Franziska in fußfreiem Rock, sitzen auf den Stufen.
    FRANZISKA.
    Das weiße Kätzchen, das uns gestern abend aus der Stadt heraufbegleitete …
    VEIT KUNZ.
    Ist es wieder da?
    FRANZISKA.
    Nein. So etwas Liebes wiederholt sich doch nicht.
    VEIT KUNZ.
    Es spielte ruhig um uns herum.
    FRANZISKA.
    Warum sollte es auch nicht?
    VEIT KUNZ.
    Warum? – Meinst du, daß es das auch getan hätte, wenn wir statt Menschen Katzen gewesen wären?
    FRANZISKA.
    Vielleicht nicht. Aus Zartgefühl.
    VEIT KUNZ.
    Oder aus Neid.
    FRANZISKA.
    Die Katzen hätten sich seine Gegenwart vielleicht auch gar nicht gefallen lassen.
    VEIT KUNZ.
    Uns störte es nicht.
    FRANZISKA.
    Im Gegenteil!
    VEIT KUNZ.
    Franziska …
    FRANZISKA.
    Nun?
    VEIT KUNZ.
    Gestern abend hielt ich hier unter freiem Himmel ein Weib in den Armen und empfand dabei mit klarstem Bewußtsein die Schönheit der Natur, die uns umgab.
    FRANZISKA.
    Was wundert dich daran?
    VEIT KUNZ.
    Ich glaube, rohe Menschen können das nicht.
    FRANZISKA.
    Möglich. – Als ich heute abend vom Badeplatz zurückkam, waren die westlichen Schloßfelsen noch von der Sonne beleuchtet. Als Kind sah ich das oft. Aber damals, auf dem Wege zum Schloß hinauf, verdüsterte sich mir das friedliche Bild mit jedem Schritt …
    VEIT KUNZ.
    Franziska! Willst du das nie vergessen?
    FRANZISKA
lebhaft.
    Es ist vergessen! Ausgelöscht. Deshalb erzähle ich es dir. Als ich heute die grünüberwachsenen Felsen im warmen Abendsonnenschein wiedersah, da jubelte es in mir: dieser Friede ist jetzt Wirklichkeit!
    VEIT KUNZ.
    St! – Du weckst die Schloßbewohner.
    FRANZISKA.
    Oben wohnt niemand als ein alter Kastellan.
    VEIT KUNZ
blickt hinauf.
    Kein Licht im ganzen Schloß!
    FRANZISKA.
    Und der herrliche Badeplatz! Als Kinder badeten wir an derselben Stelle. Heute kletterten die Buben wie damals in die Erlen am Bach hinauf und ließen sich aus den Baumkronen ins Wasser fallen.
    VEIT KUNZ.
    Sollten deine unseligen Kindheitserinnerungen nun also wirklich für alle Zeiten vergessen sein …
    FRANZISKA.
    Seit gestern abend sind sie's!
    VEIT KUNZ.
    Und du wirst dir keinen Lebensgenuß mehr durch sie vergällen lassen …
    FRANZISKA.
    Jetzt? Wo mir diese Treppe so ganz und gar anders in Erinnerung ist?
    VEIT KUNZ.
    Dann gib mir als Unterpfand dafür einen Kuß.
    FRANZISKA.
    Tausend für einen.
(Sie küßt ihn.)
Während du mich gestern in den Armen hieltst, sah ich in die Sterne über deinem Kopf.
    VEIT KUNZ
sie küssend.
    Mund zu und Augen zu! Schweig und sei lieb!
Achtes Bild
    Ankleideraum im Theater der Fünftausend. Franziska in dorischem Chiton, Sandalen an den Füßen. Ralf Breitenbach als jugendlicher Simson.
    FRANZISKA.
    Mir vergingen die Sinne.
    BREITENBACH.
    Schwatz' nicht!
    FRANZISKA.
    Aber zurückdenken.
    BREITENBACH.
    Quatsch!
    FRANZISKA.
    Das erstemal, daß mir vollständig die Sinne schwanden.
    BREITENBACH.
    Schnabel halten!
    FRANZISKA.
    Nur fühlen.
    BREITENBACH.
    Fühlen? – Ich sehe und höre nichts.
    FRANZISKA.
    Das Denken hört auf.
    BREITENBACH.
    Denken? – Ich bin ein Tier.
    FRANZISKA.
    War ich auch. – Möchte es bleiben.
    BREITENBACH.
    Schnabel halten!
    FRANZISKA.
    Geliebter!
    BREITENBACH.
    Quatsch!
    FRANZISKA.
    Was sagte ich denn?
    BREITENBACH.
    Was weiß ich!
    FRANZISKA.
    »Mach' mich tot. Ich sterbe.«
    BREITENBACH.
    Das höre ich täglich.
    FRANZISKA.
    Deshalb gehöre ich dir!
    BREITENBACH.
    Aber ohne Erläuterungen!
    FRANZISKA.
    Geliebter!
    BREITENBACH.
    Wozu spiele ich den Simson:
    Mich, der ich dir zu Ehren dreißig Mann
    In einer Nacht zu Askalon erschlagen,
    Mich, deinen Richter aus dem Stamme Dan,
    Mich willst du schmachvoll zu verleugnen wagen?!
    FRANZISKA
fällt ihm um den Hals und küßt ihn ab.
    Je mehr Weiber du hast, desto inbrünstiger liebe ich dich!
    BREITENBACH.
    Möchte nur wissen, wozu Helena auch noch in der Unterwelt so leichtgeschürzt herumzustrolchen braucht! Ich ertrage das einfach nicht. Ich gehe aus den Fugen.
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