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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula
Autoren: Bram Stoker
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vereint, aber wir rufen ihn nur Quincey.
    Im Sommer dieses Jahres machten wir eine Reise nach Transsilvanien und besuchten die alten Schauplätze, die für uns mit noch immer lebendigen, schrecklichen Erinnerungen verbunden sind. Es war uns jedoch fast unmöglich zu glauben, dass all die Dinge, die wir mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hatten, keine Traumgebilde gewesen waren, denn jede Spur des Übernatürlichen war mittlerweile ausgelöscht. Die Burg aber stand noch da wie damals, hoch aufragend in grenzenloser Einsamkeit.
    Als wir nach Hause zurückgekehrt waren, kamen wir in froher Runde wieder einmal auf die alten Zeiten zu sprechen, auf die wir in unserem gegenwärtigen Glück alle ohne Verzweiflung zurückblicken können, denn auch Godalming und Seward sind mittlerweile verheiratet. Ich holte die Papiere aus dem Safe, wo sie seit unserer Heimkehr vor so langer Zeit geruht hatten, und wir waren alle zusammen äußerst erstaunt über den Umstand, dass sich in der großen Menge von Material, aus dem sich dieser Bericht zusammensetzt, kaum ein einziges authentisches Dokument mehr befindet. Es ist nichts weiter als eine Fülle von Schreibmaschinenblättern, ergänzt um die späteren Notizbücher von Mina, Seward und mir, sowie van Helsings Memorandum. Wir können also kaum verlangen, dass irgendjemand diese Aufzeichnungen als Beweis für unsere unheimliche Geschichte |550| gelten lässt. Van Helsing fasste dies, mit unserem Jungen auf seinen Knien, folgendermaßen zusammen:
    »Wir selbst brauchen keine Beweise, und wir bitten niemanden, uns zu glauben! Dieser Junge hier aber wird eines Tages erfahren, was seine Mutter für eine tapfere und edle Frau ist. Ihre Liebe und Güte kennt er ja jetzt schon, später aber wird er auch begreifen, warum manche Männer sie so sehr liebten, dass sie um ihretwillen alles wagten.«
    Jonathan Harker

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    |551| ZUR TEXTGESTALT
     
    Mit seinem 1897 erschienenen Roman »Dracula« sicherte sich der irische Schriftsteller Abraham »Bram« Stoker (1847–1912) seinen Platz in der Literaturgeschichte. Mag es auch vor Stoker bereits literarische Gestaltungen der Vampirfigur gegeben haben, so hat sich der untote Blutsauger doch erst durch »Dracula« zu einem so wirkmächtigen Topos unseres kulturellen Bewusstseins entwickelt, dass man den im Roman geschilderten Versuch des Grafen, die westliche Welt von innen heraus zu erobern, getrost als gelungen betrachten darf.
    Die erste deutsche Übersetzung besorgte Heinz Widtmann, und sie erschien 1908 als von Stoker »autorisierte Übersetzung aus dem Englischen«. Aufgrund des damit verbundenen Geltungsanspruches ist sie bis heute die wohl am häufigsten gedruckte deutsche Version sowie – obwohl man Widtmanns Text getrost problematisch nennen darf – der Ausgangspunkt der vorliegenden Textfassung. Ende der 1960er Jahre erschienen drei neue Übersetzungen, von denen eine nichts anderes als den Widtmann-Text mit kaum aufzufindenden Änderungen präsentierte; Anfang der 1990er Jahre gab es dann noch einmal drei Übersetzungen bzw. Bearbeitungen. Eine englischen Ausgaben vergleichbare Erschließung des Romans über Anmerkungen und Kommentare sowie die Thematisierung bzw. Korrektur eklatanter Fehler des Originals wurde bislang nicht geleistet. Schon bei Stoker gehen vier Personen in ein Zimmer, um es zu fünft wieder zu verlassen, wechselt der Name von van Helsings Hotel oder es passen Daten und Tageszeiten auf vielfältige Weise nicht zueinander. Geben derartige textlogische Schwächen und Fehler heute den Aficionados zwar Anlass zu den verschiedensten Verschwörungstheorien, um die Realität des Berichteten zu beweisen, so |552| sind sie dennoch in originalsprachigen Ausgaben getilgt bzw. nicht unkommentiert belassen. Der spätviktorianische Roman ist dem Zeitgeschmack entsprechend voller Sentimentalität, Pathos und Frömmelei – eine Gefühligkeit, die vom ersten deutschen Übersetzer nicht gemildert, sondern eher noch verstärkt worden ist. Zur Illustration weiterer Schwächen des bis heute nachgedruckten Widtmann’schen Textes mögen einige Beispiele genügen: Es gibt zahlreiche Verwechslungen des Personals, insbesondere geraten John und Jonathan durcheinander. Kapitelüberschriften sind falsch, und die Handhabung der Anredeformen »Sie« und »Du« – eine Gewissensfrage jeder Übersetzung aus dem Englischen – ist situativ-sprunghaft. Neben offenkundigen Übersetzungsfehlern und unglücklichen Übertragungen
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