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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter
Autoren: Alison Goodman
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Worte aussprach, wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich wollte ihn nicht in meiner Nähe haben; ich konnte die Wut bereits spüren, die sich ihren Weg durch mein Mitgefühl bahnte – eine grelle und tödliche weibliche Wut, die weder versöhnlich noch mitleidig noch gnädig war.
    Er neigte sein ramponiertes Gesicht zur Seite, um mich besser zu sehen. »Nein.« Ein plötzliches schiefes Lächeln ließ ihn jünger wirken. »Ich denke, meine Überlebenschancen sind in Sethons Nähe größer als in der Nähe deines Freundes von den Inseln.«
    Ich lächelte nicht zurück; die Erinnerung daran, wie Sethon sein Schwert auf den kleinen Prinzen gerichtet hatte, an Lady Jilas Angstschreie und das plötzliche Verstummen des Kindes war noch zu mächtig. Der Großlord war nicht nur unbarmherzig – er war bösartig.
    »Bestimmt weiß Sethon inzwischen, dass du alle anderen Drachenaugen getötet hast«, sagte ich. »Das wird er dich büßen lassen.«
    Idos Lächeln erstarrte und seine Lippen wurden schmal. »Ich weiß. Aber dafür muss er mich erst überwältigen.«
    Konnte er Sethon aufhalten? Vielleicht. Immerhin gebot er über einen Herrschenden Drachen. Doch ein Drachenauge musste seine Magie bei vollem Bewusstsein einsetzen, und Ido hatte kaum genug Kraft, sich aufrecht zu halten.
    »Er wird mich nicht töten«, fügte er hinzu. »Nicht ehe er dich in seine Gewalt gebracht hat.«
    Wir hörten das Klirren von Rüstungen und Waffen.
    »Geh«, wiederholte er. »Oder er wird uns beide erwischen.«
    Ich duckte mich ins Loch zurück und tastete mit dem Fuß nach der nächsten Treppenstufe.
    »Finde das schwarze Buch«, rief er mir nach. »Finde es, bevor Sethon es findet.«
    Ich krabbelte die steile Treppe hinunter. Kinras Schwert klirrte, während ich im Dunkeln Halt fand. Das schwarze Buch war bei Dillon. Wenigstens hatte er es vor einigen Stunden noch gehabt.
    Ich richtete die Augen auf den schwachen Lichtschein, der aus dem Tunnel kam, strich mit der Hand an der Wand entlang und folgte ihr um zwei Ecken, bis ich in den von Lampen beleuchteten Gang kam, der sich in all seinem goldenen und blauen Glanz vor mir erstreckte. Weiter vorn kämpfte Lady Dela darum, Ryko aufrecht zu halten. Ich eilte über den weichen Teppich und der dumpfe Klang meiner plötzlich so gleichmäßigen Schritte ließ die beiden nervös herumfahren. Lady Dela trat vor Ryko und hatte Kinras Schwert erhoben.
    »Ihr seid es«, sagte sie und senkte die Klinge.
    »Ido hält die Verfolger auf«, entgegnete ich. »Aber er wird nicht lange durchhalten. Kommt.«
    Ryko sah mich durchdringend an. »Seit wann ist der unser Verbündeter?«
    Ich bückte mich unter seinen Arm und schlang ihn mir um die Schulter. »Als Verbündeten würde ich ihn nicht bezeichnen.«
    Ich wusste nicht, wie ich ihn nennen sollte.
    Obwohl ich einiges von Rykos Gewicht übernahm und beide Schwerter trug, kamen wir quälend langsam voran. Zu dritt taumelten wir über den Teppich, und unser schweres Atmen übertönte jedes Geräusch, das von hinten kommen mochte. Ich drehte mich andauernd um und rechnete damit, Sethons Männer angestürmt kommen zu sehen, doch es tauch te niemand auf. Ido hielt Wort.
    Schließlich erreichten wir den Eingang, den Ryko und ich benutzt hatten, und der Schein der Wandlampen endete unvermittelt. Ich spähte über das schwache Licht der letzten Lampe hinaus in die sich anschließende Finsternis.
    »Der Fluss«, sagte Ryko und wies mühsam weiter den Gang entlang. »Er wartet auf uns.«
    Lady Dela lehnte sich an die hell geflieste Wand, deren lebhafte Farben ihre Blässe betonten. »Werden sie noch dort sein?«
    Ryko setzte eine beinahe verächtliche Miene auf. »Tozay wartet.«
    »Tozay wartet auf uns?«, fragte ich, und der Name beschwor in mir das Bild eines breiten gebräunten Gesichts und den Meeresgeruch eines lange verlorenen Zuhauses herauf. »Meinst du Meister Tozay?«
    »Er ist unser Anführer«, erwiderte Ryko, als ich die Lampe aus der Nische nahm.
    Ich ergriff Lady Delas gesunde Hand und zog sie auf die Beine. Dann drängte ich Ryko weiterzugehen.
    »Ich habe Meister Tozay getroffen«, sagte ich. »Vor der Zeremonie.« Ich musterte Ryko. »Das war keine zufällige Begegnung, stimmt’s?«
    Ryko lächelte trotz Schmerzen und Erschöpfung. »Tozay hat dafür gesorgt, dass er alle Anwärter kennenlernt. Ihr alle wart mögliche Verbündete des Widerstands.«
    Seit Meister Tozay und ich nebeneinander vor Lady Jilas vorbeiziehender Sänfte gekniet
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