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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser
Autoren: Markus Heitz
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bringen. »Danke, Patriarch. Sie haben mir den nötigen Mut gegeben, mich neuen Aufgaben zu stellen.« Er schlug pro forma das Kreuz und gab gelöst das Signal an die Bediensteten, die an der Tür standen.
    Der riesige Eingang wurde geöffnet.
    Herein strömte eine zehnköpfige chinesische Delegation, die von Prinz Zhu Zaihou, dem kommenden Kaiser des Reichs der Mitte, angeführt wurde. Sie trugen maßgeschneiderte Smokings mit weißen Hemden, Stehkragen und Cut, die Hände steckten in weißen Handschuhen.
    Sieh einer an. Grigorij war überrascht. Er hatte mit einem klassischeren Äußeren, sprich bunten, bestickten Seidengewändern ‚ und viel Schminke gerechnet. Das untraditionelle Auftreten verstand er gleichermaßen als Zeichen für Erneuerung und Modernität.
    Zwei Meter vor dem Thron blieben die Chinesen stehen und beugten die Köpfe. »Ich grüße Euch, Eure kaiserliche Majestät«, sprach Zhu Zaihou in bestem Englisch. Der Prinz konnte nicht älter als vierzehn Jahre sein, aber er machte einen erwachsenen Eindruck. Er trug die schwarzen Haare kurz geschnitten. »Wenn es Euch recht ist, reden wir in dieser Sprache als
    Gleichberechtigte miteinander, kaiserliche Majestät. Wir benötigen keinen Übersetzer.«
    »Sehr gerne, Prinz Zhu Zaihou«, antwortete Grigorij und sah erste böse Mienen unter seinen Generälen. Höchstens zwei von ihnen beherrschten Englisch. Er stand auf, ging die Stufen hinab und reichte ihm die Hand. »Willkommen in Sankt Petersburg. Sie sind hier, um mir die Fortführung der Verhandlungen des Friedenspakts vorzuschlagen.«
    »So ist es, kaiserliche Majestät.« Zhu Zaihou hob den Kopf und lächelte warm, herzlich. »Unsere Imperien sollten nicht länger fürchten, dass der Nachbar ihn angreift. Es gibt so viele Dinge in unseren eigenen Ländern zu ordnen.«
    Aus einer Eingebung heraus stand Grigorij auf, ging zu Zhu Zaihou und nahm ihn am Ellenbogen, um ihn zu einer Nebentür zu geleiten. »Kommen Sie, Prinz. Ich finde, wir können das unter vier Augen bereden. Sagen wir einfach, es ist ein Geheimabkommen, von dessen Inhalt niemand außer Ihnen, mir und Ihrer Mutter etwas wissen darf.«
    Zhu Zaihou lächelte und wies seine verdutzten Begleiter an, im Saal mit den ratlosen russischen Würdenträgern zurückzubleiben. »Das gefällt mir, kaiserliche Hoheit.«
    Sie verließen den Raum, wandelten den Korridor entlang und blickten aus den Fenstern auf den verschneiten Garten. Ein friedlicheres Bild konnte es kaum geben.
    »Meine Mutter riet mir, dass wir einen Nichtangriffspakt schließen sollten, und das am besten heute noch«, eröffnete Zhu Zaihou. »Dazu tauschen wir Geiseln und Gold als Unterpfand aus.«
    »Das höre ich gern.« Grigorij blieb stehen und schaute hinaus. »Sie, Ihre Mutter und ich teilen uns das Los, überraschend an die Macht gekommen zu sein.«
    »Das stimmt, auch wenn es Sie, kaiserliche …«
    »Lassen Sie den Kaiserkram weg, solange wir unter uns sind«, unterbrach ihn Grigorij. »Das Protokoll ist für die Öffentlichkeit.«
    »Reden wir offen. Ja, Sie haben recht, was das Überraschende angeht.« Zhu Zaihou verschränkte die Arme auf dem Rücken. »Es dürfte Ihnen kein Geheimnis sein, dass meine Mutter die Staatsgeschäfte leitet. Sie ist darauf vorbereitet, und ich gehorche ihrem Willen«, sagte er und klang erleichtert. »Greift uns ein Nachbar jetzt an, sind meine Mutter und ich schneller vom Thron gestürzt als jedem lieb sein kann.«
    »Auch wenn Sie versuchen, ominös zu bleiben, weiß ich um Ihr Geheimnis, Prinz Zhu Zaihou aus der Dynastie der Ming.« Grigorij erinnerte sich genau an die Erzählungen seiner Frau, die sie über die chinesischen Herrscher und den Drachen in ihnen zum Besten gegeben hatte. Silena ahnte noch immer nicht, dass sie selbst einen Drachenwirbel in sich trug. »Sie und Ihre Mutter tragen eine Bestie in sich.« In heiterem Tonfall erklärte er dem entsetzten Zhu Zaihou, was er wusste. »Wir haben aus sicherer Quelle erfahren, dass Ihre Mutter und Sie zu den Drachen gehören, die gut für China sein werden«, schloss er. »Gehen Sie davon aus, dass Russland Sie unterstützt. Aber sobald ein Nie-Lung auf den Thron will, aus welcher Dynastie auch immer, werde ich nicht zögern, das Arsenal der russischen Armee loszulassen, um ihn zu stürzen.«
    Zhu Zaihou war sichtlich beeindruckt. »Sie sind äußerst gut unterrichtet, was chinesische Märchen angeht«, flüchtete er sich in die Lächerlichkeit, was Grigorij mit einem Grinsen
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