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Drachenjagd

Drachenjagd

Titel: Drachenjagd
Autoren: Rüdiger Zuber
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erlegen? Und nun hatte er Ethelas verloren, seinen besten Freund und langjährigen Begleiter, den einzigen wirklichen Freund, den er jemals gehabt hatte.
    Aidan riss sich zusammen und reckte sich auf.
    »Hier bin ich, Drache«, fauchte er mit überschlagender, hasserfüllter Stimme. »Komm, und hole mich, oder vergreifst du dich nur an wehrlosen Tieren?«
    Der Drache beachtete ihn nicht, was Aidans berauschende Wut nur umso mehr anstachelte. Er schickte wüste Beleidigungen in den Himmel, aber die Bestie schien sich mit ihrer Beute zufriedenzugeben und machte keinerlei Anstalten, Aidan erneut anzugreifen.
    Als er einsah, dass sein widerspenstiges Gebaren zu nichts führen würde, gab Aidan schweren Herzens auf und machte sich auf den langen Weg zurück ins Dorf. Der Rückweg schien Ewigkeiten zu dauern, Ewigkeiten, die er mit bitterem Selbstmitleid und Gedanken an den Verlust seines Gefährten ausfüllte.
    Das Dorf war genauso ausgestorben, wie er es verlassen hatte. Aidan vermeinte, hinter einem Fenster ein Gesicht zu sehen. Es war so schnell verschwunden, dass er nicht sicher war, ob es nicht nur eine Einbildung gewesen war.
    Dann stand er wieder vor dem „Schwarzen Drachen“, die Ironie lastete bitter auf seinem Gemüt. Er stieß die Tür auf und wankte in die Schenke hinein, setzte sich mit gesenktem Kopf an die Theke. Der Wirt stellte stumm einen Humpen Bier vor ihm hin.
    Eine raunende Menge sammelte sich an der Theke, Aidans Rückkehr hatte sich in Windeseile im Dorf herumgesprochen.
    »Lasst mich in Ruhe, ihr alle«, schrie er mit heiserer Stimme. Er verspürte keine Lust, mit irgendjemandem zu reden. Tränen der Wut und Scham rannen an seinen Wangen herab.
    Jemand legte ihm eine Hand auf die Schulter. Aidan schaute auf und blickte in das vernarbte Gesicht des alten Morten.
    »Nun, mein Junge«, sagte er mitfühlend, »ich denke, jetzt verstehen wir uns.«
    Aidan nickte, unfähig, ein Wort über die Lippen zu bringen.
    »Dein Pferd?«, fragte Morten.
    »Tot. Gefressen«, sagte Aidan vorwurfsvoll, obwohl ihm deutlich bewusst war, dass es nicht die Schuld des Alten war, sondern seine eigene Hybris.
    Morten nickte wissend.
    »Das machen alle durch, die hierher kommen. Du kannst von Glück reden, dass du die erste Begegnung mit dem Drachen unbeschadet überlebt hast.«
    »Glück?«, brauste Aidan auf, und sprang so schnell auf, dass er seinen Stuhl umwarf, der geräuschvoll auf den Boden knallte. »Du nennst es Glück, dass mein Pferd gefressen wurde?«
    »Natürlich. Es hätte auch dich treffen können. Wäre dir das lieber gewesen?«
    »Du Mistkerl«, brüllte Aidan und packte Morten am Kragen. Der wehrte sich nicht. »Du hättest mich warnen können, stattdessen hast du mich blindlings in die Falle dieses Ungeheuers laufen lassen!«
    »Nein, Aidan, du irrst dich«, sagte Morten traurig. »Ich habe dich gewarnt. Habe ich dir nicht gesagt, was der Drache hier angerichtet hat? Schau dich um und sage mir, was du siehst! Keiner von uns hat den Drachen besiegen können, keiner hat ihm den geringsten Kratzer zufügen können. Und glaube mir, junger Hitzkopf, wir haben es versucht. Wir alle. Du hast den Friedhof gesehen. Und das sind nur die, die der Drache nicht gefressen hat. Alle paar Tage oder Wochen kommt ein heldenhafter Krieger vorbei und erzählt uns, dass er uns von dem Drachen befreien wird. Die Glücklichen sind die, die nur ihr Reittier verlieren und hier festsitzen.«
    »Festsitzen?« Aidan erbleichte.
    »Ja, festsitzen«, sagte Morten forsch und wand sich aus Aidans Griff. »Was denkst du, wie du Schwarzholm verlassen wirst? Das nächste Dorf ist viele Tagesmärsche entfernt, quer durch felsiges Gebirge oder brennend heiße Wüste, such es dir aus. Du hast es mit deinem Pferd kaum hierher geschafft, wie willst du Schwarzholm ohne es verlassen?«
    Morten schnaubte laut, was anscheinend ein Lachen darstellen sollte.
    »Die meisten unserer Dorfbewohner sind Helden wie du, sagte er. Ehemalige Helden, die dank ihrer Ignoranz hier gestrandet sind.«
    »Du hättest es mir sagen müssen«, sagte Aidan lahm.
    »Und hättest du mir geglaubt?«
    »Nein, hätte ich nicht«, bestätigte Aidan widerwillig. »Was wird nun mit mir geschehen?«
    Morten zuckte mit den Schultern.
    »Was soll schon mit dir geschehen? Gar nichts. Du kannst dir eines der vielen leer stehenden Häuser aussuchen und es dir dort gemütlich machen, wie wir anderen. Hin und wieder jagen wir Wild in den Bergen, manche von uns haben kleine Felder
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