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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition)
Autoren: Naomi Novik
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Hauptmann des Neusüdwales-Korps, doch dieser Gentleman weigere sich, an Bord zu kommen, solange Bligh anwesend sei. Die Nachricht von Blighs Rückkehr hatte Sydney offenkundig vor ihnen erreicht, vermutlich dank eines kleineren, schnelleren Schiffes, das von Van-Diemens-Land aus die gleiche Route genommen hatte.
    »Dann sollten wir ihm wohl besser selber einen Besuch abstatten«, sagte Granby, der vorgab, die entsetzten Blicke nicht zu bemerken, die Laurence und Riley ihm bei der Vorstellung zuwarfen, dass ein Marinekapitän sich herablassen sollte, bei einem Armeemajor vorzusprechen, der sich so empörend und ganz und gar nicht wie ein Gentleman verhalten hatte. Es machte die Sache nicht besser, als er hinzufügte: »Ich entschuldige ihn nicht, aber ich halte es durchaus für denkbar, dass dieser Bursche Bligh selbst eine Nachricht vorausgeschickt hat, dass wir kommen, um ihn wieder einzusetzen«, was traurigerweise recht wahrscheinlich war. Und vor allem schien es keine Alternative zu geben. Ihre Vorräte neigten sich dem Ende zu, und das war nicht zu unterschätzen angesichts der Tatsache, dass der gesamte Schiffsrumpf vor Strafgefangenen zu bersten drohte und sich das Deck unter dem Gewicht der Drachen bog.
     
    Gezwungenermaßen machte sich Riley mit angemessener Marinebegleitung auf den Weg und bot Laurence und Granby an, ebenfalls mitzukommen. »Das mag vielleicht gegen das Protokoll verstoßen, aber das scheint in dieser verfluchten Angelegenheit ja der Normalfall
zu sein«, sagte er zu Laurence. »Und ich fürchte, du musst diesen Burschen dringender als wir anderen kennenlernen.«
    Das erste Zusammentreffen mit Johnston ließ nicht lange auf sich warten: »Wenn Sie versuchen wollen, diese falsche Schlange wieder über uns zu bringen, dann hoffe ich, Sie sind bereit, zu bleiben und mit uns seine Unverschämtheiten zu ertragen«, knurrte Johnston. »Und falls Sie mit Ihrem Schiff wieder auslaufen sollten, werden wir ihn im Handumdrehen erneut absetzen. Ich für meinen Teil verantworte mich vor jedem, der das Recht hat, einen Bericht einzufordern, wozu keiner von Ihnen gehört.«
    Dies waren die ersten Worte, die er ausstieß, kaum dass sie zu ihm geführt und noch ehe sie einander vorgestellt worden waren. Das Gespräch fand nicht etwa in seinem Arbeitszimmer statt, sondern in einem Vorraum in dem einzigen, lang gestreckten Gebäude der Kolonie, das zugleich als Kaserne und Hauptquartier diente.
    »Was hat das damit zu tun, das Schiff eines Königs nicht angemessen zu begrüßen, wenn es in den Hafen einfährt, das möchte ich ja gerne wissen«, bemerkte Granby in gleicher Art und Weise hitzig. »Und weder Sie noch Bligh interessieren mich im Geringsten, bis ich Verpflegung für meinen Drachen bekommen habe. Darum sollten sie sich besser schnell kümmern – es sei denn, Sie wollen, dass mein Drache die Sache selber regelt.«
     
    Dieser Schlagabtausch hatte nicht eben zu einem wärmeren Willkommen geführt.
    Abgesehen von der Verdächtigung, sie würden Bligh unterstützen, war Johnston trotz seines aufbrausenden Auftretens offenkundig beunruhigt wegen der augenblicklichen Verhältnisse, die er und seine Anhänger geschaffen hatten, und das keineswegs grundlos. Schließlich waren sie durch Englands langes Schweigen illegal und unbestätigt geblieben. Laurence hätte unter anderen Umständen Mitleid mit diesem Gefühl des Unbehagens gehabt: Die Allegiance und die mitreisenden Drachen kamen als schwer einzuschätzender Faktor in die Kolonie und hatten durchaus die Stärke, die bestehende Ordnung auf den Kopf zu stellen.
    Aber der erste Eindruck, den Laurence von der Kolonie gewonnen hatte, hatte ihn bereits ziemlich schockiert. Er hatte nicht damit gerechnet, in dieser wunderschönen, üppigen Landschaft eine so grundsätzliche Atmosphäre von Verfall und Unordnung vorzufinden; Frauen und Männer, die schon vor Sonnenuntergang betrunken durch die Straßen taumelten, und für die meisten Bewohner der Kolonie enge, heruntergekommene Hütten oder Zelte als einziger Schutz. Und selbst diese dienten oft anderen Zwecken. Als sie auf dem Weg zu ihrem unbefriedigenden Treffen waren, passierten sie ein solches Etablissement, das keine Tür mehr hatte. Laurence warf einen Blick hinein und war entsetzt, als er einen Mann und eine Frau bei leidenschaftlichem Beischlaf entdeckte, er noch halb mit seiner Militäruniform bekleidet, während ein anderer Mann unbeeindruckt auf dem Fußboden schnarchte und ein vor Schmutz
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