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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition)
Autoren: Naomi Novik
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Rum machten die Soldaten anständigen Profit, und auf diese Weise trugen jene, die eigentlich für Ordnung hätten sorgen sollen, selbst zum Verfall der Sitten in der Kolonie bei, ohne sich um die Zügellosigkeit und Selbstzerstörung, der sie Vorschub leisteten, zu kümmern.
     
    »Das jedenfalls behauptet Bligh die ganze Zeit, und nach allem, was ich gesehen habe, muss ich ihm recht geben«, sagte Laurence. »Aber, Tenzing, ich trau mir selber nicht über den Weg. Ich fürchte, dass es eher mein Wunsch ist, dass Blighs Klagen der Wahrheit entsprechen, als dass ich es wirklich wüsste. Es tut mir leid, aber es würde so gelegen kommen, einen Grund dafür zu haben, ihm wieder ins Amt zu verhelfen.«
    »Ich fürchte, ich habe alle Stiche gewonnen«, sagte Tharkay, als er seine letzte Karte bei ihrem Spiel auf den Tisch legte. »Wenn du wirklich nach Gerechtigkeit und nicht nur nach guter Führung trachtest, dann solltest du zunächst mehr in Erfahrung bringen und dich mit einem Einheimischen unterhalten, einem hier ansässigen Mann, der unbescholten und keiner Seite verpflichtet ist.«
    »Wenn sich ein solcher Mann finden ließe, dann wüsste ich keinen Grund, warum er in einer so heiklen Angelegenheit bereit sein sollte, seine Meinung kundzutun.« Laurence warf seine restlichen Karten auf den Tisch und nahm dann alle auf, um sie neu zu mischen und auszuteilen.
    »Ich habe Einladungen von einigen einflussreichen Einheimischen bekommen«, sagte Tharkay, was für Laurence eine unerwartet neue Information war, die ihn einigermaßen verwunderte. Soviel er wusste, war Tharkay nur deshalb nach Neusüdwales gereist, um seiner unstillbaren Ruhelosigkeit nachzugeben. Doch natürlich konnte Laurence nicht mit einer direkten Nachfrage in Tharkays Privatsphäre eindringen.
    »Wenn du willst«, fuhr Tharkay fort, »dann könnte ich einige Erkundigungen einholen. Ich gehe davon aus, dass die Unzufriedenheit, wenn sie groß genug ist, um als Grundlage für deine Entscheidung zu dienen, auch groß genug ist, um die Männer zum Reden zu bringen.«
     
    Da jedoch der Versuch, Tharkays ausgezeichnetem Rat nachzukommen, nun in öffentlichem Aufruhr geendet hatte, war Bligh nur noch mehr darauf bedacht, die Gunst der Stunde zu nutzen und Laurence weiter zum Handeln zu drängen. »Hunde, Kapitän Laurence, Hunde und feige Schafe, allesamt«, tönte Bligh und ignorierte einmal mehr Laurence’ Versuch, seine Anrede zu berichtigen und in ein Mr. Laurence zu verwandeln. Bligh erschien es vermutlich passender, dachte Laurence wütend, wenn er von einem Militäroffizier wiedereingesetzt würde und nicht von einer Privatperson.
    Bligh fuhr fort: »Ich gehe davon aus, dass Sie nun völlig mit mir übereinstimmen. Es ist unvorstellbar, dass Sie anderer Meinung sind. Dieses Verhalten in der Kolonie ist die unmittelbare Konsequenz aus dem empörenden Versuch der Rebellen, die Autorität des Königs für sich zu beanspruchen. Welches Maß an Respekt und Disziplin könnte unter einer Führung schon aufrechterhalten werden, die jedes anständigen, gesetzmäßigen Fundaments entbehrt, die keinerlei Loyalität mehr kennt und …«
    Hier machte Bligh eine Pause. Vielleicht überlegte er es sich noch einmal anders und erwähnte angesichts von Laurence’ Ruf an dieser Stelle die Tugend des Gehorsams besser nicht. Stattdessen schwenkte er um, und ohne viel Zeit zu verschwenden, fuhr er fort: »… und keine Anständigkeit. Erlauben Sie mir, Ihnen zu versichern, dass sich dieses unverzeihliche Verhalten in allen militärischen Rängen in der ganzen Kolonie finden lässt und von den Anführern geduldet, ja sogar gefördert wird.«
    Eine gleichermaßen körperliche wie seelische Müdigkeit und ein Gefühl des Wundseins machten Laurence aufbrausend. Seine Rippen waren unter der behelfsmäßigen Bandage angeschwollen und empfindlich geworden, seine Hände taten weh. Was ihn am meisten schmerzte, war die Tatsache, dass außer dem wachsenden Gefühl von Abscheu nichts gewonnen worden war. Er war nur zu gern bereit, schlecht von den Führern der Kolonie, Johnston und MacArthur,
zu denken, aber Bligh hatte sich ebenfalls nicht bei ihm beliebt gemacht, und seine nicht zu übersehende Zufriedenheit nach den Vorfällen in der Stadt war zu übertrieben und zu offenkundig eigennützig.
    »Ich muss mich wundern, Sir«, sagte Laurence, »wie Sie hier regieren wollen, wenn Sie doch gezwungen sind, auf dieselben Soldaten zurückzugreifen, die Sie augenblicklich so
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