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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot
Autoren: Robert Low
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rechnen müssen, dass er einem in den Rücken fällt. Doch immerhin zeigte er sich als der Wolf, der zu sein er vorgab.
    In voller Rüstung und mit fliegendem Fell machte er einen Satz von seinem Bug auf unseren, wobei er sich streckte, sodass sein zähnefletschender Kopf auf dem Helm wie lebendig erschien und er tatsächlich aussah wie ein richtiger Wolf, der es auf ein Schaf abgesehen hatte.
    Mit der freien Hand ergriff er die kurze Stange auf unserem Bug und wirbelte herum, sodass er auf dem kleinen Halbdeck landete. Ein schwerer Stiefel traf den verblüfften Finn in die Rippen, sodass er zurücktaumelte und ein Geräusch von sich gab, wie wenn man in eine Kuh sticht, die zu viel frisches Gras gefressen hat, und die Männer um ihn auseinanderstoben wie Taflsteine.
    Ich duckte mich, aber Krähenbein war im Weg; dann schwang Kveldulf sein Schwert herum, und ich schaffte es gerade noch, die Axt zu heben, sodass nur sein Schwertgriff gegen meinen Helm prallte. Ich taumelte zurück, rutschte von den Planken des Halbdecks ab und landete neben Finn wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt und mit den Beinen zappelt.
    Mit bösartigem Grinsen ergriff Kveldulf Krähenbein am Kragen und warf den Kopf zurück, um seinen Triumph hinauszubrüllen. Mit seinem Überraschungsmanöver hatte er uns alle überrumpelt, und seine Männer beantworteten sein Geheul ihrerseits mit Geschrei und setzten jetzt alles daran, unser Schiff zu erreichen und zu entern, ehe Sigurd sie einholen und es verhindern würde.
    Ich setzte mich auf, mein Kopf brummte, und mein Mund war voll Blut. Neben mir versuchte Finn verzweifelt, seinen Godi wieder in die Hand zu bekommen, und Fisch brüllte vor Wut, denn Finn war auf ihn gefallen und hatte seinen Bogen zerbrochen.
    Kveldulf grinste bösartig auf uns herab, in der einen Pranke Krähenbein, Kvasirs Schwert in der anderen.
    »Ein Stein bin ich also?«, donnerte er. »Na, jetzt hast du jedenfalls gesehen, wie ich kämpfe, Finn Pferdearsch. Und ihr Hornochsen von Eingeschworenen – schmeißt diese beiden hier über Bord und kommt mit mir, denn in dieser Taflpartie habe ich den Königsstein mattgesetzt.«
    Er hatte recht, wir waren erledigt, aber auf jeden Fall würde ich mit der Klinge in der Hand sterben und nicht gefesselt und hilflos in diesem schwarzen Wasser versinken …
    Eine Hand schob sich unmerklich hoch, Krähenbein sah sie, einer blassen Spinne gleich. Die weißen Knöchel umklammerten eine kleine, spitze Schere, wie man sie zum Haareschneiden benutzt oder um die Fransen am Ärmel einer Tunika abzuschneiden – oder die Fingernägel des toten Ehemannes.
    Mit aller Kraft, die sie noch hatte, stieß Thorgunna sie tief in den Fuß, der sie getreten und ihr ungeborenes Kind getötet hatte.
    Kveldulf schrie auf und wollte zurückweichen, aber Thorgunna hatte die Schere durch den Stiefel, durch seinen Fuß und in die Schiffsplanken gerammt, sodass er strauchelte und Krähenbein loslassen musste. Thorgunna fiel erschöpft aufs Deck zurück, und Krähenbein duckte sich, so tief er konnte, als Kveldulf, blind vor Wut und Schmerz, sich losriss und mit Kvasirs Schwert einen großen Bogen beschrieb, um es auf die hilflose Thorgunna niedersausen zu lassen.
    Es kam wie ein Schock für Kveldulf, als Krähenbein plötzlich aufsprang, das Gesicht zu einer hasserfüllten, rachedurstigen Maske verzerrt, und wie ein Lachs hochschnellte, genau wie er es auf dem Marktplatz von Kiew schon einmal getan hatte.
    »Für meine Mutter«, sagte er, nur gerade laut genug, dass die Umstehenden es hören konnten.
    Auf Kveldulf musste es wie Donner gewirkt haben. Genau wie Klerkon musste auch für ihn plötzlich sein schlimmster Albtraum wahr geworden sein. Krähenbein hatte meine Zimmermannsaxt aufgehoben, und ihre scharfe Klinge musste Kveldulf in dem Moment, als sie vor seinen Augen erschien, so groß vorgekommen sein wie der Rand der Welt. Dann spaltete sie Kveldulfs zwei Gesichter, das Menschen- und das Wolfsgesicht, säuberlich und gerade mittendurch.
    Einen Augenblick lang hing der Nachtwolf noch an der Klinge wie ein seltsames Einhorn, und der letzte Ausdruck in seinen brechenden Augen war fassungsloses Staunen. Das Schwert fiel ihm aus der Hand und polterte mir vor die Füße, und der Inhalt seines Schädels rann als blutige, gelblich weiße Masse über sein Gesicht. Er fiel nach hinten, klatschte aufs Wasser und verschwand.
    Jetzt brach das Chaos aus. Kveldulfs Mannschaft war schon nahe genug, um bei uns an Bord
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