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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot
Autoren: Robert Low
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reckte er das Kinn aus seiner Umhüllung und lächelte müde.
    »Die Enten fliegen noch immer. Sie haben Angst vor den Wölfen.«
     
    Gegen Abend war uns allen schwindelig von den vielen Biegungen des Flusses, der immer enger wurde. Durch das Dickicht am Ufer konnte man auch nicht recht erkennen, was dahinter war, doch schließlich fanden wir einen kleinen Kiesstrand, wo wir das dünne Eis durchbrachen und das Boot entladen konnten.
    Krähenbeins Bemerkung über die Wölfe hatte die Runde gemacht, aber die Eingeschworenen zündeten wie zum Trotz große Feuer zum Kochen an, als ob sie den Nachtwolf herausfordern wollten. Dennoch, während Finn alles, was er an Kräutern und Gewürzen noch hatte, in die beiden umgekehrten Helme rührte, in denen wir jetzt unseren Eintopf kochen mussten, ließ ich Toke und Snorri die erste Wache übernehmen.
    Es gab uns allen großen Auftrieb, als Thorgunna am Arm von Thordis ans Feuer gehumpelt kam und sich auf einem zusammengefalteten Umhang niederließ. Sie lächelte uns dankbar an, als wir ihr eine Schale von dem Eintopf gaben, von dem sie mit ihrem Hornlöffel etwas aß.
    Nach einer Weile, als wir alle gegessen hatten und uns leise über alles Mögliche unterhielten, nur nicht darüber, wo wir waren und wo wir hinwollten und was wir dort mit unserem Reichtum machen würden, stellte Thorgunna ihre Schale hin und sah mich an.
    »Ich möchte dir danken, dass du Kvasir mitgenommen hast«, sagte sie. »Morgen werde ich meinen Mann dem Wasser übergeben, an Ran, der bestimmt genauso in den Flüssen wie im Meer lebt. Ich traue den Menschen in dieser Gegend nicht, dass sie ihn in einem Grab in Frieden lassen würden, und jetzt, wo ich seine Augen habe und er für Walhall wieder unversehrt ist, bin ich zufrieden.«
    Ihren dunklen Augen sprachen jedoch eine andere Sprache, und ich wusste, dass ihre Trauer nicht nur Kvasir galt,
sondern vor allem auch dem ungeborenen Kind, das sie durch den brutalen Tritt verloren hatte.
    An diesem Abend hielt Finn mir die Fackel, und ich durchsuchte den Silberschatz und fand schließlich einen Halsring, der sogar Finn einen bewundernden Pfiff entlockte. Der Ring aus solidem Silber wog mindestens zwölf Unzen und bestand aus kleinen S-förmigen Bogen, verbunden durch Rosetten, die mit roten Steinen besetzt waren, von denen die meisten noch vorhanden waren. Der Ring hatte einen sorgfältig gearbeiteten Verschluss, und Finnlaith war überzeugt, dass er irischer Herkunft war, was ich für möglich hielt.
    Am Morgen, als der Nebel noch über dem Wasser lag, steckte ich den Halsring in Kvasirs Leichentücher, was Thorgunna mit dankbarem Lächeln quittierte. Sie nahm seine steifen Finger und schnitt mit ihrer kleinen Schere behutsam seine Nägel, denn jeder weiß, dass Naglfar, das Boot, das Loki befehligt, aus den Fingernägeln toter Männer gemacht wird. Es soll zu Beginn des Ragnarök die Riesen von Jotunheim nach Asgard tragen, also ist es gut, den Bau so lange wie möglich hinauszuzögern.
    Dann zog sie das blutige kleine Säckchen hervor, in dem Kvasirs geschrumpfte Augen waren, und band es um sein Handgelenk, damit es nicht verloren ging. Dann beschwerten wir ihn mit Steinen und ließen ihn über die Seite des Bootes gleiten, wo er kaum Wellen verursachte, als er schnell und lautlos im Wasser versank. Ich empfahl ihn den Göttern an und hatte Mühe, meine Fassung zu bewahren.
    Doch kaum hatten wir uns von diesem traurigen Moment erholt, da hob Krähenbein den Kopf und deutete mit dem Arm auf etwas.
    »Der Nachtwolf ist da.«
    Er kam schnell näher und hoffte, uns zu überraschen – aber wir alle trugen zu Ehren Kvasirs unsere Rüstung und hatten unsere Waffen gezogen, also brauchte ich nur an den Bug zu treten, wo Kveldulf in einem schwarzen Schiff auftauchte, begleitet von Lambissons alter Mannschaft, genau wie ich es erwartet hatte.
    Er stand ebenfalls im Bug, seinen Wolfspelz um die Schultern gelegt, die bösartige Maske vor dem Gesicht, und feuerte seine Männer mit Gebrüll an, während die Riemen eintauchten und das Wasser spritzte. Er hatte zu wenige Männer, um gleichzeitig rudern und kämpfen zu können, und ich wusste, er würde bald das Rudern einstellen und sich von der Strömung tragen lassen, bis er uns erreicht hatte und seine Männer ihre Waffen ergriffen hatten. Genauso hätte ich es auch gemacht.
    Finn sprang neben mir auf die Bordwand. Fisch lehnte sich weit hinaus, zielte und schoss; man hörte einen Schrei, und einer der Ruderer, der
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