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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt
Autoren: Richard Gordon
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Perkussionshämmer, Stimmgabeln und anderes diagnostisches Spielzeug, das die Internisten so sehr lieben, Zuflucht gefunden hatten.
    «Es steht dir frei, dich beim Chef über meine Behandlung zu beschweren, wenn du Lust hast.»
    «Oh, so weit möchte ich nicht gehen. Schließlich sind wir doch beide im selben Läden. Ich weiß, daß die Ärzte gerne ihre Patienten verrotten lassen, aber ich bin bereit, das zu tun, was mir verordnet wurde. Ich sehe nur nicht ein, was für einen Zweck das alles haben soll.»
    Einen Augenblick lang sah sein Gesicht wie ein Topf voll kochender Milch aus, die im Begriff ist, überzugehen. Dann drehte er sich auf den Fersen um und verließ mich mit den Schritten eines Mannes, der seine Fassung nicht mehr zu bewahren vermag.

4

    LIEBESROMANZEN pflegen im Spital einen ebenso raschen Verlauf zu nehmen wie auf hoher See. Wahrscheinlich deshalb, weil sowohl Patienten wie Passagiere zwischen den Mahlzeiten wenig finden, worüber sie nachdenken können. Die folgenden Tage verbrachte ich damit, brav im Bett zu liegen, Boswells «Leben Johnsons» zu lesen und an Sally Nightingale zu denken; und in den Nächten lag ich wach und versuchte sie in kurze Plaudereien zu verwickeln, wenn sie sich im romantischen Zwielicht des schlummernden Saals bewegte. So wie sich ein Süchtiger der täglichen Morphiumdosis entgegensehnt, schmachtete ich dahin, sobald sich der Abend mit seiner schleppenden Routine von Nachtmahl, Leibschüsseln und Thermometern der achten Stunde näherte, die zerzausten Tagschwestern ihren Dienst übergaben und Sally in ihren frisch gestärkten Hüllen wieder auftauchte.
    «Möchten Sie ein bißchen Gerstenschleim?» fragte sie mich, als sie einige Nächte später in meinen Winkel kam. «Ich habe gerade einen zubereitet.»
    «Gerstenschleim? Wahnsinnig gern, tausend Dank.»
    Hätte sie mir Schierlingssaft angeboten, wäre er mir genauso erwünscht gewesen.
    «Wie geht’s heut abend, Richard?»
    «Nun, da ich Sie sehe, unendlich besser.»
    «Aber, aber!» Sie blickte mich schelmisch an. «Sind Sie sich denn nicht bewußt, daß Sie in mir nur die Pflegerin erblicken dürfen?»
    «Das ist ausgeschlossen! Wissen Sie, als ich diese scheußliche Krankheit bekam, war ich der Meinung, sie bedeute so ungefähr das größte Pech, das mir seit langem zugestoßen ist. Aber vom Augenblick an, da Sie den Saal betraten, Sally... Na, da begann ich zu fühlen, daß dies das freudigste Ereignis meines Lebens sei.»
    Sie lachte und glättete meinen Polster mit geübten Bewegungen. «Sie sprechen im Delirium, Doktor.»
    «Ich hab überhaupt kein Fieber. Fühlen Sie mal.»
    Schon oft war mir der Satz «kühlende Hände legten sich lindernd auf die fiebernde Stirne» untergekommen, doch ich hatte diese Erfahrung bisher noch nie am eigenen Leibe ausgekostet. Sie war äußerst beglückend.
    «Es wäre vielleicht für uns beide besser, wenn ich einen Eisbeutel holen ginge.»
    In diesem Augenblick wurde ich gewahr, daß auch Hinxman neben meinem Bett stand.
    «Hallo», rief ich überrascht. «Heut bist du aber recht früh dran mit deiner Nachtrunde, nein?»
    Er gab keine Antwort. Statt dessen sagte er mit bohrenden Blicken: «Schwester Nightingale, ich hätte gerne den Nachtbericht, wenn Sie nichts dagegen haben.»
    «Selbstverständlich, Doktor Hinxman. Wie Sie wünschen.»
    Hinxman hörte sich den Bericht unter der grünbeschirmten Lampe auf dem Schreibtisch der Stationsschwester an, der nicht weit von meinem Bett entfernt stand, und ließ sich sodann an ihm nieder, um seine Anmerkungen einzutragen. Als ich endlich einschlief, arbeitete er noch immer. Am nächsten Morgen erfuhr ich, daß er mir alle drei Stunden Injektionen mit Vitamin C und Sojamehlsuppen-Diät verordnet hatte.
    Unsere Rivalität bewirkte natürlich, daß sich meine übermächtigen Gefühle für Sally Nightingale zusehends noch mehr verdichteten. Sie an einen so leidenschaftslosen Dickhäuter wie Hinxman zu verlieren, erschien mir nicht nur als eine persönliche Tragödie, sondern auch als eine entsetzliche Vergeudung. Doch jammervoll kam mir zu Bewußtsein, wie sehr ich augenblicklich mit meiner Werbung im Hintertreffen lag. Ich war statisch, Hinxman erschreckend mobil; und war ich auch berechtigt, mich während der ganzen Nacht ihrer Gesellschaft zu erfreuen, stand Hinxman nun so lange beim Schreibtisch Wache, bis sich mein Schnarchen dem des übrigen Saals zugesellte.
    Nur in den Donnerstagnächten war ich der Begünstigte, wenn Dr.
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