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Donaugrund (German Edition)

Donaugrund (German Edition)

Titel: Donaugrund (German Edition)
Autoren: Sonja Silberhorn
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eine junge Frau mit knallrot gefärbten Haaren, die nicht zu ihrem seriösen grauen Hosenanzug passen wollten, zur Anmeldung eilte und einen Knopf neben dem Empfangstresen drückte. Ich konnte sie sprechen sehen – vermutlich in eine hinter der Rezeption verborgene Gegensprechanlage. Erst dann sah sie mich vor der Glastür stehen, eilte auf mich zu und ließ mich ein. »War die Haustür etwa schon wieder offen?«, fragte sie und blickte missbilligend zum Eingang der Zahnarztpraxis in meinem Rücken.
    »Ja.« Ich trat ein und wartete auf Raphael, der – immer zwei Stufen auf einmal nehmend – wieder die Treppe nach oben spurtete. Ein Glück, dass wenigstens einer von uns beiden so fit war.
    »Darf ich Ihre Dienstausweise sehen?«, fragte die Dame, und ich fing pflichtschuldig an, in meiner Tasche zu kramen. Erst nachdem sie unsere Ausweise genauestens inspiziert hatte, bot sie uns auf den leuchtend orangefarbenen Designerstühlen neben der Anmeldung Platz an und bat uns um einen Moment Geduld, bevor sie eilig einen Flur hinabstöckelte und schließlich durch eine Tür zu ihrer Linken verschwand.
    »Was ist das hier?«, flüsterte Raphael. »Ein Hochsicherheitstrakt?«
    »Solange wir keine Urinprobe abgeben müssen.« Neugierig inspizierte ich das umfangreiche technische Equipment hinter der Rezeption. Auch der restliche großzügig geschnittene Empfangsraum machte ordentlich was her. Der dunkle Parkettboden glänzte an den Stellen, an denen er nicht mit matschigen Winterstiefeln in Berührung gekommen war, wie frisch eingelassen; von der hohen Stuckdecke baumelten zwei Leuchter mit reichlich glänzendem Chrom und exorbitanten Ausmaßen, an den Wänden hingen Kunstdrucke in schreienden Farben. Vier schmale Flure zweigten von der Lobby ab und führten wohl zu den einzelnen Büroräumen, aber der einzig einsehbare war der, in dem die Anmeldungsdame verschwunden war. Ich zählte zehn Türen, die von dem Gang abgingen, und mochte mir gar nicht ausmalen, wie viel Miete man monatlich für einen sanierten Altbau in dieser Größenordnung bezahlte.
    Einige der Bürotüren standen offen, und reges Tastaturklappern drang an meine Ohren. Trotz der Vorabinformationen war ich erstaunt darüber, dass hier um diese Zeit wirklich noch so konsequent gearbeitet wurde. Niemand sprach, niemand lachte. Bei hundertsechs Angestellten hatte ich eigentlich ein etwas temperamentvolleres Treiben erwartet statt dieser seltsam gedämpften Stimmung.
    »Fast wie im Krankenhaus«, stellte Raphael treffend fest.
    Als ich das Klacken einer sich öffnenden Tür hörte, rechnete ich mit der Empfangsdame, die uns endlich eine Audienz bei ihrem Chef gewährte. Stattdessen trat eine sehr große, sehr schlanke und außerordentlich attraktive Frau aus einem anderen Zimmer. Kaum war sie aus der Tür, drehte sie sich auch schon wieder um. »Bitte, Simone, es ist wirklich wichtig«, sagte sie mit einer ungewöhnlich tiefen, rauchigen Stimme und warf einen flehenden Blick ins Innere des Raums.
    Simones Antwort konnte ich leider nicht verstehen, aber sie klang beschwichtigend.
    »Danke«, antwortete das Model mit der wie auch immer gearteten wichtigen Mission höflich, wenn auch nicht gerade begeistert. Sie zog die Tür hinter sich ins Schloss und nahm Kurs auf die Rezeption.
    Oh nein, mir bleibt auch wirklich nichts erspart!
    Während ich mich auf hohen Hacken derartig aufs Gehen konzentrieren muss, dass mein angespannter Gesichtsausdruck jede potenzielle erotische Ausstrahlung im Keim erstickt – weshalb ich dann auch in den meisten Fällen auf einigermaßen flaches Schuhwerk und somit den altbewährten Donald-die-Ente-Gang zurückgreife –, meistert dieser fleischgewordene Männertraum auf Stilettos (bekanntermaßen die fiese Steigerung zum simplen »Stöckel«!) die Distanz zu uns dermaßen mühelos und mit einem formvollendeten Synchronschwingen von Hüften und fluffigen langen braunen Locken, dass mir ganz anders wird. Jetzt hat sie uns natürlich bemerkt, und prompt folgt das interessierte Flackern in den Augen, das sich für meinen Geschmack viel zu häufig bei Frauen im heiratsfreudigen Alter einstellt, sobald Raphael ins Blickfeld gerät. Nein! Die soll weggehen, und zwar dalli!
    »Hallo«, sagte sie mit dieser verfluchten Stimme, die ohne Distanz sogar noch verruchter klang. Warum konnte eine Frau, die so aussah, nicht zum Ausgleich wenigstens eine Piepsstimme haben, bei deren Klang sich die Fußnägel bis zu den Knöcheln aufrollten? »Kann ich
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