Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika
Autoren: Ewald Arenz
Vom Netzwerk:
mulmiges Gefühl. Das Burggebäude ragte massig vor ihnenin den dunklen Himmel auf, und der Eingang sah aus, als könnte man ihn von innen sehr gut verteidigen. Auch die Treppe an der Außenmauer war nicht breit genug, als dass man geschlossen hochgehen könnte. Und die Mauern sahen sehr massiv aus. Alles in allem waren die Angreifer – außer Kretschmer und dem Bürgermeister – nicht gerade in fröhlicher Stimmung. Als das Kommando zum Angriff fiel, begann die kleine Armee, aus allen Kräften in Richtung der Fenster zu feuern. Sie hatten keine Ahnung, was sonst von ihnen erwartet wurde, und deshalb schossen sie. Es beruhigte sie zu sehen, dass immerhin etwas geschah, auch wenn es nichts bewirkte. Bald war der Innenhof in Pulverdampf gehüllt und die Querschläger irrten kreischend im Hof umher. Kein Mensch hörte Kretschmer, der ständig »Aufhören« schrie.
    »Man bräuchte einen Hubschrauber!«, rief der Bürgermeister.
    »Wir haben aber keinen mehr!«, schrie Kretschmer zurück.
    Allmählich hörte das Schießen auf, als die Angreifer merkten, dass sie nichts ausrichteten. In die Stille hinein öffneten sich plötzlich die Fenster und ein Hagel von Eichenstühlen prasselte auf die Polizisten nieder. Diese wichen ein Stück zurück und feuerten wieder, aber die Fenster lagen zu hoch.
    »Okay«, murmelte Kretschmer, »versuchen wir’s auf die weiche Tour.«
    Er wandte sich an einen der Polizisten und sagte: »Holen Sie mir den Polizeipsychologen. Aber ein bisschen zackig, klar?«
    Der Mann salutierte erschreckt und eilte ins Dunkel. Die Polizisten standen herum und froren. Der Bürgermeister scharrte enttäuscht mit dem Fuß im Kies. Bis jetzt hatte er noch kein Blut gesehen. Und außerdem musste er ständig an Spitzenhöschen denken und dafür hasste er Don Fernando noch mehr. Wenn Kretschmer wüsste, dass er selbst jetzt, unter diesem konservativen grauen Zweireiher, heimlich die Unterwäsche seiner Frau trug …
    Der Polizist kam zurück. Ohne den Psychologen.
    »Und?«, herrschte ihn Kretschmer an. »Haben Sie ihn nicht finden können?«
    »Doch«, sagte der Polizist verlegen. »Der Chef ist bei ihm.«
    »Na und?«, schrie Kretschmer.
    »Na ja«, sagte der Polizist, »der Chef hat mit ihm über seine Probleme gesprochen, Sie wissen schon, und jetzt hat der Psychologe einen Weinkrampf und steht da vorne auf der Mauer und will in den Burggraben springen, wenn Köberlein nicht weggeht.«
    »Oh Gott!«, stöhnte Kretschmer. »Diese Stadt macht mich fertig.«
    Plötzlich schrie er los: »Dann holen Sie mir irgendjemanden, einen Psychiater, einen Pfarrer oder meinetwegen auch einen Sozialpädagogen. Irgendwen, der die Leute da oben rausholen kann. Wir können’s jedenfalls nicht.«
    Ein paar Polizisten verschwanden. Der Rest stand schweigend herum und fror. Kretschmer war deprimiert.
    In der Burg war die Stimmung auch nicht das, was man heitere Ausgelassenheit nennt. Kathrin sprach ein ernstes Wörtchen mit Fernando.
    »Warum hast du uns eigentlich auf die Burg gelotst, du Trottel? Das hier ist so ungefähr der schlechteste Ort, den man sich vorstellen kann. Dort unten stehen dreihundert Leute, von denen jeder Einzelne fest entschlossen ist, uns zu töten. Und wir haben nicht einmal ein Telefon!«
    Napoleons Grande Armée, die Rote Armee und die gesamten NATO-Truppen hatten sich den Fallschirmjägern angeschlossen und jagten durch Fernandos Kopf auf der Suche nach seinem Selbstbewusstsein, das wie ein weißes Karnickel von Granattrichter zu Granattrichter hüpfte und darauf hoffte, dass sie nicht auf die Idee kämen, taktische Nuklearwaffen einzusetzen.
    »Äääh«, sagte er, »ich bin eben irgendwie doch noch ein Ritter. Ich meine, Burgen kamen mir immer sehr sicher vor.«
    »Sicher ist das richtige Wort«, warf Christoph ein. »Sicherer Tod wäre noch passender.«
    Leif stand ungeduldig neben Bébé und versuchte, ihn in ein Gespräch über Musik zu ziehen. Er hatte schon ganz andere Dinge erlebt, als er mit den Indianern gegen General Custer gekämpft hatte. Irgendwann war es immer zu Ende, und dann konnte man wieder Musik machen. Bébé fehlte diese Erfahrung, das merkte man sehr deutlich. Genauer gesagt hatte er eine höllische Angst, wie schon so oft in dieser Nacht, und das gefiel ihm gar nicht. Er hätte von Anfang an in der Kneipe bleiben sollen.
    »Also gut«, sagte Christoph, während sich Fernando noch immer unter Kathrins Redeschwall zusammenkrümmte. »Entweder wir ergeben uns oder wir kämpfen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher