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Don Blech und der silberne Regen

Don Blech und der silberne Regen

Titel: Don Blech und der silberne Regen
Autoren: Max Kruse
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sprang Junker Hohlkopf auf.
    »Sieg! — Sieg!«, rief er und rannte den Hang hinab. Und während er stürmte, verteilten sich die Wolken, die Sonne lachte wieder vom blauen Himmel.
    Sein Triumph schien vollkommen zu sein, als er die Treppe zum Wattepalast emporstieg.
    Doch die Stadt sah schlimm aus, aufgeweicht die Zelthäuser und umspült vom Wasser.

Ein folgenreicher Entschluss

    Der Wind trieb die Wolken rasch davon, es sah aus, als ob sie flüchteten. Da bebte Watteia, ihre Kräuselspitzen zitterten. Sie eilte dem Helden entgegen und strahlte: »Mein Gemahl, mein Sieger!«
    Junker Hohlkopf salutierte würdig im aufgeschlagenen Vorhangportal. Aus seinen Füßen rann das Wasser heraus. Der Obereinpuderer jammerte: »Bitte, betreten Sie den Wattepalast nicht so nass!«
    »Soll ich in der Tür stehen bleiben?«, grollte der Junker. »Nur bis Sie getrocknet sind!«
    Junker Hohlkopf drückte ihn mühelos zur Seite und ging in das feucht gewordene Zeltgebäude.
    Die Einwohner der Stadt machten sich ans Aufräumen. Sie entfernten Aste und Blätter von den Stoffdächern und fegten Pfützen vor den Haustüren leer. Noch nie hatten ihnen diese Arbeiten so viel Vergnügen gemacht, waren sie doch überzeugt davon, dass sie nun nie wieder vom Regen heimgesucht werden würden. Dies war der letzte Schauer gewesen. Von heute an würde ein Sonnentag dem anderen folgen, ungestört, ungehindert konnten sie als trockene Wölkchen zu ihren Oberstübchen emporschweben, immer und immer wieder.
    Einem aber war sterbenselend zu Mute. Klein-Wattoneon hätte lieber wochenlangen Regen ertragen, als seine geliebte Watteia verloren zu wissen, verloren an einen Unhold aus Blech.
    Jetzt war seine letzte Hoffnung geschwunden, dass es dem Junker genauso ergehen würde wie ihm. Deshalb entschloss er sich, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Und wo gab es einen besseren Ort dafür? Im Wasser, am Meer.
    Er räumte sein Hauszelt sorgfältig auf und legte seine bescheidene Habe ordentlich zusammen. So macht es ein braver Mensch, ehe er diese Erde verlässt. In die Ecke neben die Tür stellte er die Müllfusselkarre und legte sein Arbeitszeug, die Fusselaufklaubegabel und die Fädcheneinsammelzange quer darüber. Er band die Stiele mit einer Schnur zusammen und knotete ein Schild daran fest:
    »Eigentum des Staates, zurückgegeben vom ehemaligen städtischen Fädcheneinsammler und Fusselaufklauber Klein-Wattoneon.«
    Er schluchzte trocken — hoffentlich kam alles in die Hände eines würdigen Nachfolgers.
    Dann schloss er den Durchschlupf und steckte mit einer Nadel einen anderen Zettel daneben, worauf geschrieben stand: »Warten zwecklos, komme nicht wieder!« Und verließ seine Heimat.
    Wohl schaute ihm der eine oder andere nach, wie er so die Straße entlangwanderte, langsamer und immer langsamer schritt. Doch versuchte niemand ihn zurückzuhalten, da ja auch keiner seine Absicht kannte. Und schließlich hatte ja auch jeder alle Hände voll mit seinem eigenen Haus zu tun.
    So gelangte Klein-Wattoneon aus der Stadt und war tieftraurig — noch trauriger als zuvor schon, dass sein Abschied auf Nimmerwiedersehen keinen betrübte. Ein letztes Mal drehte er sich um und warf einen Blick voller Liebe zurück auf die Stadt und den Wattepalast. »Leb wohl, werde glücklich, Wattela!«, murmelte er. Und fast hätte ihn die Rührung über sein eigenes Unglück überwältigt.
    Er betrat den Dschungelpfad, der sich durch den Urwald wand, durch die Steppe, durch die Wiese und zum Meer.
    In der stillen Bucht rauschten die Wellen so gleichmütig, so ungerührt auch von Klein-Wattoneons Schicksal, doch auch so beruhigend und tröstlich. War das Wasser wirklich ein tödliches Element? Ach, hoffentlich brachte es ihm den Frieden.
    Noch einen Atemzug wollte er sich gönnen, sich ausruhen vom langen Marsch, ehe er sein Leben beendete. Auf einem Stein ließ er sich nieder. Schon sah er sich in Gedanken aufgelöst und zerfasert auf dem Wasser schwimmen, eine seltene Meeresblume... und bald würde nichts, nichts mehr von ihm übrig bleiben.
    Wieder ein trockenes Schluchzen. Nach einer Weile schaute er in die Runde: Wie schön doch die Welt war. Dann fiel sein Blick auf die Bretterwand. Da klebten noch die vom Regen verwaschenen Plakate mit der Ankündigung. Sie hatten sich teilweise gelöst und ihre Ecken hingen herab. Ausgeblichen von der Sonne waren sie auch und blass geworden, aber noch leserlich. Wozu? Jetzt brauchten sie ja keinen Helden mehr anzulocken.
    Im Wasser
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