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Dolph Heyliger (German Edition)

Dolph Heyliger (German Edition)

Titel: Dolph Heyliger (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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während Andere mit Achselzucken bemerkten, daß, wenn der Teufel den Burschen hole, er nur einen aus seiner eigenen Familie bekomme.
    Endlich kamen diese Gerüchte auch der guten Dame Heyliger zu Ohren und setzten sie, wie man sich leicht einbilden kann, in schreckliche Unruhe. Wäre ihr Sohn mit lebenden Feinden in Konflikt gekommen, so wäre das in ihren Augen nicht so schrecklich gewesen, als daß er allein den Schrecknissen eines verzauberten Hauses Trotz bieten sollte. Sie eilte zu dem Doktor und brachte einen großen Theil des Tages damit zu, Dolph von einer nochmaligen Nachtwache abzureden; sie theilte ihm ein ganzes Register von Geschichten mit, welche ihr soeben ihre schwatzhaften Freundinnen erzählt hatten, von Personen, die verschwunden waren, als sie allein in einem alten baufälligen Hause gewacht hatten. Aber es war Alles vergeblich. Dolphs Stolz sowohl als seine Neugierde waren gereizt. Er suchte die Furcht seiner Mutter zu beschwichtigen und ihr zu versichern, daß alle die Gerüchte, die ihr zu Ohren gekommen, nicht wahr seien; sie blickte ihn voll Zweifel an und schüttelte ihren Kopf; als sie aber fand, daß sein Entschluß nicht zu beugen war, brachte sie ihm eine dicke holländische Bibel mit messingenen Ecken, um sie als ein Schwert gegen die Mächte der Finsterniß zu gebrauchen; und falls das noch nicht hinreichend sein sollte, gab ihm die Haushälterin zum Ueberfluß noch einen Heidelberger Katechismus als Waffe mit.
    In der nächsten Nacht schlug er nun seine Wohnstätte zum dritten Male in dem alten Hause auf. Gleichviel, ob Traum oder nicht, die Sache wiederholte sich abermals. Gegen Mitternacht, wo Alles still war, hallte derselbe Ton durch die leeren Hallen wieder, Trapp – Trapp – Trapp! Es stieg wieder die Treppe herab, die Thüre ging wieder auf, – der alte Mann kam herein, ging im Zimmer umher, hing seinen Hut auf und setzte sich an den Tisch. Ueber den armen Dolph kam dieselbe Furcht und dasselbe Zittern, doch nicht in so heftigem Grade. Er lag da, bewegungslos und wie verzaubert, starrte nach der Gestalt hin, die ihrerseits ihn, wie früher, mit einem todten, starren, kalten Blick ansah. In dieser Stellung blieben sie lange Zeit, bis allmählig Dolphs Muth wieder aufzuleben begann. Ob lebend oder todt, dieß Wesen mußte auf alle Fälle einen Zweck bei seinem Besuche haben, und er erinnerte sich gehört zu haben, daß Geister keine Macht zu sprechen hätten, wenn sie nicht angesprochen würden. Er kam daher zu einem Entschluß und machte zwei oder drei Versuche, bis er seine trockene Zunge in Bewegung setzen konnte. Er sprach den Unbekannten in der feierlichsten Form einer Beschwörung an und fragte ihn, was der Zweck seines Besuches sei.
    Er hatte kaum geendet, als der alte Mann aufstand, seinen Hut nahm, die Thüre öffnete und hinausging. Dabei blickte er, gerade als er die Schwelle überschritt, zurück auf Dolph, als wenn er erwartete, daß er ihm folge. Der Bursche war keinen Augenblick unschlüssig. Er nahm das Licht in die Hand, die Bibel unter den Arm und gehorchte der stillen Einladung. Das Licht verbreitete zwar nur einen schwachen, ungewissen Schein, aber er konnte doch noch die Gestalt langsam die Treppe heruntergehen sehen. Zitternd folgte er. Als sie die unterste Treppe erreicht hatten, wendeten sie sich durch die Halle gegen die hintere Thüre des Hauses. Dolph hielt das Licht über das Geländer, aber in seinem Ungestüm, den Unbekannten aus dem Gesicht zu verlieren, flackerte die Flamme so arg, daß sie ausging. Indessen gaben die bleichen Mondstrahlen, die durch ein schmales Fenster fielen, noch hinreichendes Licht, um ihm eine unbestimmte Ansicht von der Gestalt in der Nähe der Thüre zu verschaffen. Er ging daher mit die Treppe herunter und wendete sich nach dem freien Platz; als er aber da ankam, war der Unbekannte verschwunden. Die Thüre blieb fest verriegelt, es war kein anderer Weg vorhanden, hinauszukommen; jedoch das Wesen, was es auch sein mochte, war fort. Er suchte die Thüre zu öffnen und sah hinaus auf die Felder. Es war eine nebelige, vom Monde beleuchtete Nacht, so daß das Auge Gegenstände in einiger Entfernung noch unterscheiden konnte. Er glaubte den Unbekannten auf einem Fußpfad zu sehen, der von der Thüre wegführte. Es war kein Irrthum, aber wie war er aus dem Hause gekommen? Er dachte nicht weiter darüber nach, sondern folgte. Der alte Mann ging in gemessenem Schritte vorwärts, ohne sich umzusehen; man hörte seine Fußtritte
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