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Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)

Titel: Dolch und Münze (02): Königsblut (German Edition)
Autoren: Daniel Hanover
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Abmachung getroffen hatte, war Cithrin klar gewesen, dass es sie aufreiben würde, einem Notar unterstellt zu sein. Über Monate hinweg hatte Cithrin das Vermögen ihres Ablegers der Medean-Bank vollständig kontrolliert. Jedes Darlehen, das sie für angemessen hielt, hatte sie gewährt. Jede Beteiligung, die ihr weise erschienen war, war sie eingegangen. Sie hatte sich für Dutzende von Übereinkünften und Verträgen den Daumen geritzt, und sie hatte im Großen und Ganzen guten Profit erwirtschaftet. Nur dass eben die Gründungspapiere der Bank gefälscht gewesen und die Verträge, die sie unterzeichnet hatte, unrechtmäßig waren. Es waren immer noch vier Monate, ehe sie ihre Volljährigkeit erlangte, die Einlagen ihrer Eltern in die Bank erbte und vor den Augen des Gesetzes eine richtige Erwachsene wurde. Aber selbst dann würde ihr die Rolle der älteren Frau mit nur einem Viertel Erstgeborenenblut, die sie angenommen hatte, erhalten bleiben. Die Bank war auf Lügen und Betrug errichtet, und man würde noch jahrelang Geheimhaltung üben müssen, ehe die verdächtigen Übereinkünfte alle bereinigt werden konnten. Sie stellte sich vor, dass sie alles in den Wind schlug, nur um der Notarin zu trotzen, die ihr die Dachgesellschaft in Carse geschickt hatte. Pyk Usterhall.
    Ihr unterzeichnet nichts. Alle Übereinkünfte werden vom Notar und nur vom Notar unterzeichnet. Verhandlungen gibt es nicht, ohne dass der Notar anwesend ist. Wenn man über Euren Kopf hinweg entscheidet, akzeptiert Ihr es. Die Kontrolle obliegt der Dachgesellschaft. Ihr seid eine Gallionsfigur. Sonst nichts.
    Dies waren die Bedingungen, die man ihr angeboten hatte, und sie hatte zugestimmt. Zu diesem Zeitpunkt war sie halb beschwipst vor Erleichterung gewesen, weil sie überhaupt irgendeinen Einfluss behalten durfte. Sie hatte die Gewissheit verspürt, dass es, wenn der Notar einmal eingesetzt war, nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sie sich wieder zurück in die eigentliche Machtposition manövrieren konnte. Die Zeitspanne bis dahin würde eine notwendige Geduldsprobe sein, aber nicht schlimmer als das. In den Wochen vor dem Eintreffen des Notars war sie jeden Abend mit der Vorstellung eingeschlafen, wie sie vor einem hocherfahrenen Mitglied der Bank die Kleinlaute spielte, wie sie Einsichten darbot, die die Aufmerksamkeit des neuen Mannes finden würden, wie sie sich dadurch einen Ruf bei ihm erwarb, bis er ihrem Urteil vertraute. Von da an, hatte sie sich gesagt, würde es nur ein kleiner Schritt sein, die Politik ihrer Bank abermals zu bestimmen. Ihre Aufgabe war lediglich, einen einzigen Mann zu überzeugen. Selbst wenn es schwer war, war es doch möglich.
    Es war eine hübsche Geschichte gewesen.
    Pyk Usterhall war mitten im Winter eingetroffen. Cithrin hatte im Kaffeehaus auf der anderen Seite des Großmarkts gesessen, wo sie Maestro Asanpur ein paar Münzen gab, um ein privates Hinterzimmer nutzen zu können. Die winterliche Dunkelheit kam früh, sogar so weit im Süden wie hier in Porte Oliva, und an den dunklen, kalten Nachmittagen konnte man wenig anfangen, außer Spielsteine zur Hand zu nehmen und den Vorrat an Kaffeebohnen durchzubringen, den der alte, halbblinde Cinnae besaß. An diesem Tag waren vier Erstgeborene aus der Königinnengarde im Kaffeehaus gewesen, die sich nach ihrer Wache ausruhten und Witze und Anekdoten mit einem Timzinae-Händler austauschten. Der Timzinae hatte den Winter in Birancour verbracht, ehe er sich im Frühling wieder zurück nach Elassae aufmachen würde, und Cithrin hatte schon seit Tagen über seine Witze gelacht und abgewartet, ob ihm ein paar Neuigkeiten aus diesem Land entschlüpfen würden. Sie hatten zu sechst zwei Tische zusammengeschoben und waren mit den Spielsteinen gerade in einer komplizierten Runde, als die Tür aufschwang und eine kalte Böe die Wärme aus dem Raum trieb, konkret und metaphorisch zugleich.
    Anfangs hatte Cithrin gedacht, die Frau sei eine unglaublich dicke Erstgeborene. Sie war riesig, hatte breite Hüften und Schultern, die sowohl fett als auch kräftig waren. Sie betrat den Raum, dessen Dielen unter ihren schweren Schritten knarzten, und wickelte sich den schwarzen Wollschal vom Kopf. Pausbacken und volle Lippen ließen sie ein wenig wie einen Fisch wirken. Als sie die Lippen schürzte, wurden die Lücken sichtbar, wo sie ihre Hauer abgefeilt hatte. Eine Yemmu.
    »Ihr seid dann wohl Cithrin bel Sarcour«, hatte die Frau gesagt. »Ich bin Eure Notarin. Habt Ihr
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