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Dogma

Dogma

Titel: Dogma
Autoren: Raymond Khoury
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eindrucksvolles Skriptorium, das eine umfangreiche Sammlung gebundener Manuskripte beherbergte. An den Pulten saßen eine Handvoll Kopisten, so in ihre Arbeit vertieft, dass sie die Besucher kaum zur Kenntnis nahmen.
    Die Mönche – Basilianer, wie Everard und seine Kameraden bald erfuhren – konnten die Neuigkeiten, die die Ritter brachten, kaum glauben. Die Vorstellung, dass die Armee des Papstes Mitchristen belagerte und christliche Städte plünderte, war trotz des großen Schismas schwer zu fassen. In ihrer Abgeschiedenheit hatte die Klostergemeinde nichts von der Eroberung Jerusalems durch Saladin oder vom gescheiterten Dritten Kreuzzug erfahren. Jede weitere Nachricht traf sie wie ein Schlag, ließ ihre Herzen mutloser und die Furchen auf ihren Stirnen tiefer werden.
    Einen heiklen Punkt ließ Everard bei seinem Bericht offen: Weshalb er und seine Ordensbrüder nach Konstantinopel gezogen waren und welche Rolle sie bei der Belagerung der großen Stadt gespielt hatten. Ihm war klar, dass diese orthodoxen Mönche sie leicht für Soldaten der latinischen Truppen hätten halten können, die gegen die Tore ihrer Hauptstadt zogen. Und es gab einen weiteren, noch heikleren Punkt, den der
Hegumen
des Klosters, der Abt, schließlich auch ansprach.
    «Was führt Ihr in diesen Truhen mit Euch?», fragte Pater Philippicus ihn.
    Everard war nicht entgangen, wie neugierig die Mönche die Truhen beäugt hatten, und er wusste nicht recht, was er erwidern sollte. Nach kurzem Zögern sagte er: «Das weiß ich so wenig wie Ihr. Ich habe nur den Befehl, sie von Konstantinopel nach Antiochia zu bringen.»
    Der Abt blickte ihm in die Augen und schien seine Erwiderung zu überdenken. Nach einem Moment unbehaglichen Schweigens nickte er achtungsvoll und erhob sich. «Es ist Zeit zur Vesper, und anschließend werden wir uns zur Ruhe begeben. Wir können unser Gespräch morgen fortsetzen.»
    Die Ritter bekamen nochmals Brot, dazu Käse und Becher mit einem Anisaufguss. Dann wurde es still im Kloster bis auf das unablässige Rauschen des Regens vor den Fensteröffnungen. Das monotone Geräusch musste Everard trotz seines Unbehagens eingelullt haben, denn er sank schon bald in einen tiefen Schlaf.
    Als er erwachte, blendete ihn grelles Sonnenlicht. Er setzte sich auf. Trotz des Schlafes fühlte er sich matt, seine Lider waren schwer und seine Kehle wie ausgedörrt. Er blickte um sich – die beiden Ritter, mit denen er die Kammer geteilt hatte, waren fort.
    Als er versuchte aufzustehen, gelang es ihm vor Schwäche kaum; seine Glieder wollten ihm nicht gehorchen. Neben dem Eingang standen einladend ein Krug Wasser und eine kleine Schale. Auf unsicheren Beinen schlurfte Everard darauf zu, hob den Krug an die Lippen und trank ihn aus. Sogleich fühlte er sich besser. Er wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab, richtete sich auf und machte sich auf den Weg zum Refektorium – doch sehr bald spürte er, dass etwas nicht stimmte.
    Wo waren die anderen?
    Von Unbehagen erfasst, schlich er barfuß über die kalten Steinfliesen, vorbei an mehreren Zellen und dem Refektorium. Sämtliche Räume waren leer. Als Everard vom Skriptorium her ein Geräusch hörte, ging er darauf zu. Noch immer fühlte er sich ungewohnt schwach, und seine Beine zitterten unkontrollierbar. Als er an der Tür zu der Kammer vorbeikam, in der sie die Truhen gelagert hatten, stieg eine Ahnung in ihm auf. Er hielt inne, dann schlich er hinein, alle Sinne aufs äußerste gespannt. Was er sah, bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen.
    Die Truhen waren aufgebrochen, die Schlösser aus den Beschlägen gerissen.
    Die Mönche wussten um den Inhalt.
    Eine Welle der Übelkeit erfasste ihn, und er musste sich an die Wand lehnen. Mit aller Kraft, die er aufzubringen vermochte, stolperte er wieder aus der Kammer und weiter ins Skriptorium.
    Der Anblick, der sich seinem verschwommenen Blick bot, ließ ihn erstarren.
    Seine Brüder lagen kreuz und quer auf dem Boden des großen Raumes, in verdrehter, unnatürlicher Haltung, reglos, in ihren starren Gesichtern die eisige Blässe des Todes. Nirgends war Blut zu sehen, keinerlei Anzeichen von Gewalt. Es war, als hätten sie einfach aufgehört zu leben, als sei ihnen das Leben ganz langsam ausgesaugt worden. Hinter ihnen standen die Mönche in einem makabren Halbkreis und starrten ihn ausdruckslos an, in der Mitte der Abt, Pater Philippicus.
    Everard, der ihnen auf zitternden Beinen gegenüberstand, verstand plötzlich.
    «Was habt
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