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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten
Autoren: Norbert Klugmann
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zu einer Bemerkung hinreißen. »Habt Ihr Euch das gut überlegt?«, fragte er Boff. Der spürte die irrationale Angst, der andere könne etwas über Rohwedder wissen, was sonst niemand wusste. »Ich kriege das schon hin«, antwortete er tapfer.
    Am Tag, an dem die Zufälle reagierten, war es reiner Zufall, dass er seinen Wagen nur zwei Dörfer weiter lenken musste. Hier wurde niemand an die frische Luft gesetzt, hier waren alle Türengeschlossen, auch die Fenster, die Zauntüren, überhaupt alles, was darauf hinwies, dass hier Menschen lebten.
    Boff wusste, dass zehn Augenpaare ihm dabei zusahen, wie er auf die Hütte zuschritt, das heruntergezogene Dach windschief, der Garten außer Rand und Band, selbst die pickenden Hühner wirkten, als würden sie abends nicht in ihren Stall zurückkehren, sondern in den Wald.
    Das Weib war seit der letzten Begegnung noch krummer geworden. Aber ihr Blick war kretig wie eh und je. Sie liebte es, Besuch zu kriegen, und hatte Boff zu verstehen gegeben, dass sie gerne Männer vor der Tür vorfand. Am liebsten gut aussehende Männer. Fünfmal stellte er die gleiche Frage, nur um ebenso oft hingehalten zu werden. Die Alte wusste, dass sie ihren gut aussehenden Besucher sofort verloren hatte, wenn er erst einmal wüsste, in welchem Haus sich die Hebamme aufhielt. Sie tat so, als würde sie um Auskunft über allerlei Gebrechen nachsuchen. Dabei wusste Boff, dass diese Frau bis zu ihrer letzten Stunde keinen Medicus konsultieren würde. Dazu wusste sie zu viel. Er mochte die Frau, sie war kratzbürstig, furchtlos, kundig. Mit ihr war ein fachliches Gespräch möglich, in dem man weiter in die Tiefe vorstoßen konnte als beim Palavern mit Wald-und-Wiesen-Ärzten, mochten sie auch studiert haben.
    Weil er ohne Schwindeln nicht weiterkam, versuchte er es mit Schwindeln und sprach von einer großen Gelegenheit für die Hebamme, die ihr Leben in neue Bahnen lenken und ihr Einkünfte verschaffen könnte, von denen sie bisher nur geträumt hatte.
    »Bist du schwanger?«, fragte die Alte.
    »Und wenn ich es wäre?«
    »Dann würde ein schönes Kindchen herauskommen.«
    »Ihr versteht Euch auf Schmeicheleien.«
    »In jungen Jahren war ich am Fürstenhof für die Erziehung der Prinzen verantwortlich.«
    Beide lächelten bei der Vorstellung, wie es dem Prinzen bei dieser Art von Erziehung ergangen wäre. Sie schlawinerten noch ein Weilchen. Nicht, dass der Besucher in die Hütte gebeten worden wäre, aber er bekam heraus, wo sich die Hebamme aufhielt.
    Als es zu spät war, fiel Boff die Schachtel in seiner Tasche ein. Er kehrte um und hielt der Alten die geöffnete Verpackung entgegen. In ihre müden Augen trat der Glanz junger Mädchen. Erst nahm sie ein Bonbon und ließ sich ein zweites aufdrängen. Am Ende schüttete er ihr alle in die bereitwillig hingehaltenen Hände. Bonbons aus Italien. Nur die Schachtel ließ sie ihm.

5
    Abends war Rohwedder eingezogen, Hermine kam einige Tage später.
    Ihre ersten Worte lauteten: »Ich wohne nicht bei Euch, ich bin eine anständige Frau.«
    »Und ich bin ein anständiger Mann. Wir passen perfekt zusammen.«
    »Ihr sucht doch nur ein Hausmädchen. Oder eine Köchin. Oder eine …«
    »Sprecht es ruhig aus, es wird Euch erleichtern.«
    »Jedenfalls wohne ich nicht mit Euch zusammen. Was habt Ihr denn sonst noch anzubieten?«
    Erst dachte er, sie würde ihre künftige Tätigkeit meinen. Aber sie meinte eine andere Bleibe im großen Haus und begann sogleich mit der Suche.
    Über dem Parterre erhoben sich fünf Geschosse, von denen das letzte unterm Dach lag. Auf jeder Etage befanden sich zwei oder drei Wohnungen, die unterschiedlich geschnitten waren. Tänzers Praxis belegte das unterste Geschoss nach einer kurzen Treppe. Über der Praxis würde Boff Quartier nehmen. Das Dach war eine eigene Welt. Hier war bis auf eine Kemenate nichts zu Wohnzwecken ausgebaut, die Ziegel waren unverputzt, Holzstützen zogen sich über die gesamte Fläche. Vierzehn Quadratmeter, Mansardenfenster und eine Schicht Taubenkot, die dank des Lochs im Dach wohl beständig anwuchs.
    Hermine sagte: »Das gefällt mir. Hier will ich wohnen. Wann kann ich einziehen? Ich lasse gleich meine Sachen holen.«
    »Moment, Moment«, wandte Boff ein. Er führte sie in seine Wohnung und stellte ihr frei, sich unter allen Räumen denjenigen zu nehmen, der ihr am meisten zusagte.
    »Mir gefällt der am besten«, sagte Hermine. Boff wollte sich gerade entspannen, als sie fortfuhr: »Aber ich wohne
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