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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten
Autoren: Sigrid Lenz
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ihres Mannes geflissentlich ignoriert.
    Dass er die einzelne Rose, die sie mitsamt der Lieblingsvase ihrer Mutter neben der Platte in die Mitte des Tisches gestellt hatte, beachtete Egon nicht, aber Henriette hatte das auch nicht erwartet. Auch die Kerzen am Fenstersims oder die Biskuitrolle, die das trockene Mürbegebäck zum Kaffee ersetzt hatte, entlockten ihrem Mann kein Augenzwinkern. Und dass sie selbst ihren Tag in der Küche verbrachte, anstatt mit der Wäsche, dem Putzen des Bades oder dem Staubwischen, um nur wenige ihrer bevorzugten Beschäftigungen zu nennen, war Egon natürlich ebenfalls nicht aufgefallen.
    Nun, Henriette erwartete das auch nicht, keineswegs. Er war ihr Mann und er gehörte zu ihr. Das musste genügen. Vor Jahrzehnten hatten sie sich einander versprochen. Sie liebte ihn und er liebte sie. Und das Mindeste war, dass sie diese Liebe mit einem Festessen unter Beweis stellte.
    Trotzdem fühlte ihr Herz sich schwer an, wollte sich die Festtagsstimmung, auf die sie gewartet hatte, nicht einstellen.
    Henriette rieb sorgfältig die Suppenschüssel mit einer Knoblauchzehe aus. Sicher, Egon konnte Knoblauch nicht ausstehen, aber in jeder Frauenzeitschrift stand doch, dass diese Knolle besonders gut für das Herz und den Blutdruck sei. Zwei Schwachpunkte, die Egons Arzt von Zeit zu Zeit zu bemängeln pflegte. Nicht dass es Egon etwas ausmachte, oder er auf die Idee käme, seine Lebensweise zu überdenken, geschweige denn dass er auf den Rat des Mannes hörte, doch Henriette hatte nicht vor mit der Gesundheit ihres Mannes Poker zu spielen. Wo es ging, mogelte sie ihm ein wenig Grünzeug unter. Ein paar Vitamine hier und da, ein Hauch von Ballaststoffen konnten doch nicht schaden.
    Und was Egon nicht wusste, das konnte ihn auch nicht stören. Soweit war Henriette sich sicher, dass ein schwaches Knoblaucharoma den Geschmacksknospen ihres Mannes nicht auffiele.
    Ein unanständiges Schimpfwort entkam ihren Lippen, als sie mit Schwung die Suppe in die feine Porzellanschüssel füllte, die ihre Mutter ihr bei der Heirat als besonders exquisiten Bestandteil des Sonntagsgeschirrs präsentiert hatte. Wie immer stellte sie sich zu ungeschickte an und trotz all ihrer zuvor ausgefeilten Kunstgriffe, landete ein geraumer Teil der Flüssigkeit auf dem Küchentisch neben dem Herd.
    Henriette stellte den Topf zurück und fragte sich einen Moment, ob sie die Grießklöße vor dem obligatorischen Umfüllen aus der Schüssel hätte fischen sollen. Doch dann verdrehte sie ihre Augen und beschloss keinen Gedanken mehr an die weichen, weißen Knödel zu verschwenden, die sie mit soviel Mühe aus der klebrigen Masse geformt hatte, und die trotz allem jetzt wie unförmige Beulen in der klaren Brühe schwammen.
    Henriette hatte noch nie verstanden, warum Egon diese besondere Vorliebe für Grießnockerlsuppe hegte. Sie selbst konnte Suppen eher etwas abgewinnen, wenn sie mit einer auffallend cremigen Konsistenz ihrem Gaumen schmeichelten. Etwas Sahne, ein Stich Butter und vielleicht ein wenig geschmolzener Käse waren die Bestandteile, mit der sich eine Suppe genießen ließ. Aber auch da schieden sich ihr Geist und der ihres Mannes. Egon liebte die klare Brühe und Henriette musste, wenn auch widerstrebend zugeben, dass in diesem Fall und im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich mit der Suppe nur um den ersten warmen Gang der Mahlzeit handelte, es sinnvoller war, mit etwas Leichtem zu beginnen.
    Und warum auch nicht ihren Hochzeitstag und Egon damit erfreuen, dass sie sich mit der Suppe ganz besondere Mühe gab, ja, sich sogar an die Hinweise hielt, die Egon im Laufe der Jahre fallen gelassen hatte. In all den langen Jahren, in denen er von seiner Mutter gesprochen hatte und von ihrem ganz besonderen und von Henriette definitiv unerreichtem Können in der Küche.
    Mit schiefem Blick auf die in Würfeln gepresste Brühe, die Henriette nachlässig in heißes Wasser warf, erwähnte er beiläufig, wie es in ihrer Familie Tradition gewesen war, nach klassischer Art Knochen auszukochen, die wertvollen Inhaltstoffe des Marks und den unerreichten Geschmack, den nur die Mühe dieser Arbeit erzielen konnte, sich mühselig und über Stunden hinweg zu erarbeiten.
    Also hatte Henriette sich ein Herz gefasst, umgehört und es war ihr tatsächlich gelungen, die richtigen Suppenknochen aufzutreiben. Mit weit geöffnetem Fenster und einer Wäscheklammer auf der Nase hatte sie diese ausgekocht, den Sud erkalten lassen und für diesen
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