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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten
Autoren: Sigrid Lenz
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speziellen Tag aufgehoben, an dem sie ihn mit der abgewogenen, gewaschenen und geputzten Menge an Suppengrün neu aufsetzte. An dieser Brühe sollte es nichts auszusetzen geben, das hatte sie sich geschworen. Sie bildete den Auftakt zu einem Festmahl, nach dem sich ihr Mann noch nach Jahren alle Finger lecken sollte.
    Das Abseihen war nicht leicht gewesen, aber auch das war ihr gelungen, wusste Henriette doch wie sehr Egon es hasste, wenn er in seiner Brühe Bestandteile entdecken musste, die auch nur ein wenig an Gemüse erinnerten. Nicht einmal die winzigen Kräuter und Gewürze, die beim Aufgießen einer einfachen gekörnten Brühe in der Flüssigkeit schwammen, vermochte er zu tolerieren. Und Henriette war es nach den vielen Jahren gewohnt, ihm seine kleinen Vorlieben und Schwächen nachzusehen. Auch das machte Liebe aus. Auch das bedeutete eine lebenslange Partnerschaft.
    Und natürlich beruhte dieses Einvernehmen auf Gegenseitigkeit. So hatte Henriette ihrem Egon im Laufe der Zeit abgetrotzt, dass sie die mühsam auf dem Balkon gezogene Petersilie benutzen und nach ihrem Belieben über die Speisen verteilen durfte.
    Mit dem eigens zu diesem Zweck erworbenen Wiegemesser machte Henriette sich nun daran und zerkleinerte die liebevoll aus dem Topf herausgesuchten, schönsten und grünsten Petersilienblätter, indem sie wieder und wieder mit dem scharfen Messer über sie hinweg ging. Jede Seite des Wiegemessers in einer Hand und in einem stetigen Rhythmus wiegte sie mit der Klinge über das Brett, sah zu, wie die Blätter in ihre Einzelteile zertrennt wurden, kleiner und filigraner gehobelt, bis sie nur noch wie feiner, grüner Staub, so leicht, dass ein Windhauch sie anhoben konnte, in einem kleinen Haufen auf dem Brett lagen.
    Mit einem zufriedenen Seufzer legte Henriette das Messer weg. Es war gut und richtig, darauf zu achten, dass Egon wenigstens ein Mindestmaß an Vitaminen genoss, auch wenn er sich innerlich dagegen sträubte. Wollte sie ihn doch noch so lange behalten, wie es irgend möglich war.
    Mit einem weichen Küchentuch wischte sie über den Rand der Porzellanschüssel, entfernte die letzten Tropfen, die ihrer misslungenen Umfüllaktion entsprungen waren und streute dann liebevoll die feingehackte Petersilie über die in der Suppe schwimmenden Grießklöße. Deren flockiges Weiß erhielt so hübsche grüne Sprenkel und Henriette trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zufrieden zu betrachten.
    Sie schloss die Schüssel mit dem geschwungenen Deckel, stellte sie auf das Tablett, neben die dazu passenden Suppentassen und blank geputzten Löffel, bevor sie ihre Schürze abnahm und sich ihr Haar aus dem Gesicht strich.
    Sicher, sie war nicht jünger geworden. Aber letztendlich war das keiner von ihnen. Und dieser Tag sollte ein Festtag werden. Die Suppe war nur der Beginn.
    Henriette ging leichten Schrittes, so leicht es ihr mit der Suppenschüssel, die auf dem Tablett balancierte, möglich war, auf die Küchentür zu, drückte mit über die Jahre hinweg perfektioniertem Geschick mit Hilfe des Ellbogens den Griff herunter und betrat das Wohnzimmer in dem ihr Mann wartete.
    Obwohl, dass er wartete, war eigentlich zu viel gesagt. Egon lümmelte, wie es seine Art war, auf dem Sofa. Er hatte sich zurückgelehnt, in der einen Hand die Bierflasche, während er sich mit der anderen seinen Bauch kratzte.
    Aber Henriette wollte sich nicht ärgern. Nicht an diesem Tag.
    Er sah nicht auf, als sie eintrat. Sein Blick blieb, wie gewohnt, auf den Bildschirm gerichtet, auf dem fast ähnliche Erscheinungen, wie er eine bot, ebenfalls auf Sofas lümmelten und sich dabei allerdings auch noch wüst beschimpften.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Henriette, dass die Platte mit den verzierten Crackern leer war und schmunzelte zufrieden in sich hinein. Sie stellte vorsichtig das Tablett auf den Sofatisch und räumte die leere Platte zur Seite. Eine leere Tasse fand ihren Platz direkt vor Egon und die andere daneben, gerade dort, wo sie selbst sich zu setzen gedachte. Jedoch nicht, bevor sie für ein passenderes Getränk gesorgt hatte, als das, welches Egon für sein ein und alles erklärt hatte, solange sie sich kannten.
    Henriette brachte Tablett und Platte zurück in die Küche und ergriff dann die Flasche Rotwein, die sie sorgfältig temperiert und auch nicht vergessen hatte, die gewünschte Zeit atmen zu lassen. Es sollte nichts schief gehen, alles musste passen.
    Henriette schüttelte ihr Haar zurück, versuchte sich einen
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