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Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Titel: Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)
Autoren: Wladimir Kaminer
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Schwester gehört, die ebenfalls gerade den Führerschein machte, doch sie wollte diesen Termin plötzlich nicht mehr. Der Bruder meiner Schwiegermutter, der gerade zusammen mit ihr und seiner Frau aus dem Kaukasus zu uns gekommen war, um mit uns die Winterfeste zu feiern, behauptete, einen sicheren Weg zu kennen, die Prüfung zu bestehen. Dafür müsste man bloß einen Tag vor der Prüfung nichts Alkoholisches trinken und drei Mal klar und deutlich das Vaterunser aufsagen.
    Ich ließ mir die russische Variante des Vaterunsers von meiner Schwiegermutter aufschreiben und telefonierte mit Freunden, die erst vor Kurzem ihren Führerschein im Schneechaos gemacht hatten. Ist es von Vorteil, bei solchem Wetter die Fahrprüfung zu machen oder nicht, wollte ich von ihnen wissen. Doch je mehr ich herumtelefonierte, desto widersprüchlichere Antworten bekam ich zu hören. Schreckliche Geschichten von hinterhältigen Prüfern, die einen bei jedem Wetter durchfallen lassen, häuften sich jedoch. Mein Freund Florian, der ebenfalls seinen Führerschein im Dezember gemacht hatte, erzählte mir, dass der Prüfer von ihm als Erstes den Schalter für die Kennzeichenlichter wissen wollte. Florian suchte und suchte, war aber bereits in die Falle getappt, es gibt nämlich in keinem Auto Extraschalter für Kennzeichenlichter. Meinem Freund Berndt schlug der Prüfer vor, auf leerer Straße eine Vollbremsung durchzuführen, also den Wagen auf 50 km/h zu beschleunigen und dann volle Pulle auf die Bremse zu treten. Die Vollbremsung gelang meinem Freund zwar, doch bei der Weiterfahrt vergaß er zu blinken, um den anderen nicht sichtbaren Autos seine Fahrbereitschaft zu signalisieren. Sofort war die Prüfung zu Ende. Ein anderer Freund hatte beim rechts Abbiegen die Ampel verpasst, die gleich nach der Kurve hinter einem verschneiten Busch hing und rot leuchtete.
    Die Erfahrungsberichte bewiesen: Es gab kein gutes Wetter für eine Prüfung, alles kam immer anders als erwartet. Augen zu und durch, hupen und weiterfahren!, dachte ich und ging zur Prüfung. Es klappte alles glänzend. In der Silvesternacht betrank ich mich aus lauter Begeisterung über die neuen Möglichkeiten und aus Neugier auf mein erstes Autofahrer-Jahr. Zwei Wochen später war meine Frau ebenfalls so weit.
    Das neue Jahr begann mit der Suche nach dem richtigen Auto. Die Suche war nicht einfach, denn mein erstes Auto sollte einerseits schick, andererseits nicht zu teuer sein. Daraus wurde schließlich ein Škoda Superb. Es dauerte etwas, bis der Wagen fertig gebaut war, aber dann kam endlich die Einladung vom Autohaus: Ich durfte den Wagen abholen. Die Dame, die mir die Papiere aushändigte, hatte ein Namensschild auf ihrer Bluse: »Frau Liebe«. Ich sah es als gutes Omen.
    Ich bin schon immer direkt aus dem Bett als Erstes auf den Balkon gegangen, noch im Halbschlaf quasi, um mich zu orientieren. Einmal in den Himmel blicken und einmal auf die Straße, ob noch alles da war. Bis jetzt ist noch an jedem Morgen alles da gewesen, oben die grauen Wolken, unten nasser Asphalt und dazwischen mein Balkon. Nun war noch ein wichtiger Orientierungspunkt in meinem Leben dazugekommen: mein neues Auto in »Metallic-Cappuccino«.
    Wenn der Wagen direkt gegenüber von meinem Balkon stand, hieß es, ich hatte gestern Glück bei der Parkplatzsuche gehabt. Gegenüber von unserem Haus befindet sich ein großes Stadion, und wenn dort abends Handball gespielt wird oder irgendein modischer Radiosender seine Hörer zu einem Konzert eingeladen hat oder, noch schlimmer, die jährliche Meisterschaft der deutschen Marschmusikkapellen ausgetragen wird, können die Einwohner ihre Parkplätze vergessen. Zwar ist unsere Straße wie inzwischen fast alle Straßen in Berlin mit Parkautomaten ausgestattet, was es für Fremde zum teuren Spaß macht, länger unter unseren Fenstern zu stehen. Doch Menschen, die schon für das Konzert oder das Spiel ihrer Lieblingsmannschaft hundert Euro hingeblättert haben, schreckt ein Fünf-Euro-Strafzettel nicht ab. Fast jeden Abend fand dort ein Konzert statt, also kreiste ich manchmal wie ein Verrückter um mein Haus herum, drei, vier, fünf Mal. Als Anwohner hatte ich schlechte Karten, trotz meiner Parkplakette. Was nutzte sie mir, wenn die ganze Straße belegt war? Um nicht im Nachbarbezirk parken zu müssen, haben meine Nachbarn längst den Konzertplan des Stadions ausgedruckt und im Treppenhaus auf dem Anzeigenbrett aufgehängt. Wer vor seiner Haustür parken will, sollte
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