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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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– Entsetzen.
    »Nein, nein – nur ein Pferd – so ein graues Pferd.«
    In diesem Moment kicherte der irische Butler.
    »Vielleicht is’ der Motor kaputt«, mischte er sich ein.
    Amory wäre ihm am liebsten ins Genick gesprungen.
    »Wir müssen jetzt gehen«, sagte Myra kühl. »Verstehst du, Amory, die Schlitten waren für fünf Uhr bestellt, und alle waren pünktlich, wir konnten wirklich nicht warten…«
    »Ich konnte doch nichts dafür, oder?«
    »Mama hat gesagt, ich soll noch bis halb sechs warten. [23] Wir holen den Schlitten ein, bevor sie am Minnehaha-Club ankommen.«
    Amorys angekratztes Selbstbewusstsein fiel völlig in sich zusammen. Er malte sich die fröhliche Gesellschaft aus, wie sie bimmelnd durch die schneebedeckten Straßen fuhr, dann die Ankunft der Limousine, der Myra und er in einem schrecklichen öffentlichen Auftritt entsteigen mussten, von dreißig vorwurfsvollen Augenpaaren beobachtet, dann seine Entschuldigung – diesmal eine glaubwürdige. Er seufzte laut.
    »Was ist?«, fragte Myra.
    »Nichts. Ich hab nur gegähnt. Holen wir sie auch wirklich ein, bevor sie ankommen?« Er nährte eine schwache Hoffnung, dass sie zum Minnehaha-Club vorausfahren und dort, traulich vereint vor dem Kamin sitzend, die anderen empfangen könnten; so würde er seine verlorene Fassung wiedergewinnen.
    »Aber natürlich, wir holen sie sicher ein – komm, lass uns schnell aufbrechen.«
    Er fühlte einen Druck im Magen. Als sie ins Auto stiegen, hatte er bereits einen ziemlich schlagenden Plan gefasst, dem er schnell den Anstrich des Diplomatischen verlieh. Der Plan beruhte auf einigen »Komplimenten«, die er in der Tanzstunde aufgeschnappt hatte und die besagten, dass er »wahnsinnig gut aussah und irgendwie englisch«.
    »Myra«, sagte er mit gesenkter Stimme und sorgfältig gewählten Worten, »ich bitte tausendmal um Vergebung. Kannst du mir jemals verzeihen?«
    Sie betrachtete ihn ernsthaft, seine tiefen grünen Augen und seinen Mund, die für ihren braven [24] Jungmädchengeschmack den Inbegriff des Romantischen darstellten. Ja, Myra konnte ihm sehr leicht verzeihen.
    »Warum – ja – sicher.«
    Er sah sie wieder an und schlug dann die Augen nieder. Er hatte lange Wimpern.
    »Es ist schlimm mit mir«, sagte er traurig. »Ich bin einfach anders. Ich weiß nicht, warum ich immer solche Fauxpas begehe.« Dann, in verwegenem Ton: »Ich hab einfach zu viel geraucht. Ich hab’s schon am Herzen.«
    Myra malte sich eine wilde nächtliche Tabakorgie aus, mit einem bleichen, von nikotinvergifteten Lungen taumelnden Amory. Sie rang ein wenig nach Luft.
    »O Amory, lass das Rauchen. Das hemmt dein Wachstum!«
    »Es ist mir egal«, beharrte er mit finsterem Blick. »Ich kann nicht anders. Ich hab’s mir nun mal angewöhnt. Ich hab eine Menge Sachen gemacht, wenn meine Familie davon wüsste« – er hielt inne, um ihr Zeit zu geben, sich im Geiste düstere Schreckensbilder auszumalen –, »letzte Woche bin ich im Varieté gewesen.«
    Myra war sichtlich überwältigt. Er richtete wieder seine grünen Augen auf sie.
    »Du bist das einzige Mädchen in der Stadt, das ich wirklich mag«, rief er in einer plötzlichen Gefühlswallung aus. »Du bist simpatico. «
    Myra war nicht sicher, ob sie das wirklich war, aber es klang sehr schick, wenn auch irgendwie ungehörig.
    Draußen herrschte tiefe Dunkelheit, und als die Limousine eine plötzliche Wendung machte, wurde sie gegen ihn geworfen; ihre Hände berührten sich.
    [25] »Du solltest nicht rauchen, Amory«, flüsterte sie. »Das weißt du doch?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wen kümmert das schon?«
    Myra zögerte. »Mich.«
    Irgendetwas regte sich in Amory.
    »Von wegen! Du bist doch in Froggy Parker verknallt. Das weiß doch jeder.«
    »Nein, bin ich nicht«, kam es sehr langsam.
    Schweigen, während Amory vor Spannung zitterte. Myra hatte etwas Faszinierendes an sich in dieser behaglichen Umgebung, die sie vor der Kälte und Dunkelheit draußen schützte. Myra, dieses winzige Kleiderbündel, unter deren Wollmütze blonde Locken hervorquollen.
    »Weil ich auch verknallt bin« – er hielt inne, denn aus der Entfernung hörte er das Lachen von jungen Stimmen, und als er durch die gefrorenen Scheiben spähte, erkannte er im Laternenlicht der Straße die dunklen Umrisse der Schlittenpartie. Er musste schnell handeln. Mit krampfhafter Anstrengung fasste er nach Myra und umklammerte ihre Hand – ihren Daumen, um genau zu sein.
    »Sag ihm, er soll direkt zum
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