Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
beisammen, die handschriftliche Blätter, aber auch zahlreiche ältere Typoskriptseiten mit handschriftlichen Korrekturen umfasste. Das Konvolut zeigt, dass Fitzgerald zu Beginn gewillt war, den ganzen Roman von Grund auf neu zu schreiben. In den Anfangskapiteln schrieb er sogar die aus The Romantic Egotist übernommenen Passagen neu, und diese gewannen sehr durch die Überarbeitung: Sie wurden leichter, plastischer, weniger prätentiös; außerdem wechselte Fitzgerald in Bezug auf seine Hauptfigur von der ersten zur dritten Person. Dadurch konnte er seinen Helden mit einer gewissen Ironie betrachten.
    Bis zum Blatt 196 des Manuskripts widerstand Fitzgerald der Versuchung, alte Typoskripte in seinen Roman aufzunehmen. So konnte er bestehende Texte gründlich revidieren, sie breiter oder enger fassen und den Ton konsequent der neuen Erzählperspektive angleichen. Dann jedoch [418] begann er, alte Blätter einzufügen. Fitzgerald schrieb nun keinen wirklich neuen Text mehr, sondern begnügte sich mit punktuellen Veränderungen wie dem mechanischen Austausch der Pronomina, mit Angleichungen von Zeiten und Verbformen sowie einigen stilistischen Retuschen.
    Das Ergebnis liest sich immer noch flüssig, doch unter der Oberfläche finden sich viele Inkonsequenzen. Der Ich-Erzähler Stephen Palms war eine ganz andere Figur gewesen, als Amory Blaine es nun ist. Solange Fitzgerald das Manuskript neu schrieb, trug er dem Rechnung, im zweiten Teil des ersten Buches aber vermischen sich die Charaktere und Tonfälle, so dass die Stimme des Erzählers zu schwanken beginnt: Einmal ist sie elaboriert und ironisch, dann wieder eher einfach und pathetisch.
    Fitzgerald war bestrebt, das alte Manuskript so weit wie möglich wiederzuverwerten, und belastete so den Erzählfluss mit Einzelheiten und Episoden, die der Kontinuität des Ganzen alles andere als dienlich waren. Ein Beispiel für viele findet sich am Ende des zweiten Kapitels. Amory sieht die blutige Szenerie eines Autounfalls, in dem sein Freund Dick Humbird ums Leben gekommen ist. Es ist ein eindringlicher Moment: Amory berührt Dicks Leichnam und denkt über den Widersinn dieses zufälligen Todes nach. In der nächsten Szene jedoch, die gleich am folgenden Tag spielt, indes einer älteren Textschicht entstammt, begleitet er Isabelle Borgé, tanzt Foxtrott und flirtet – das schreckliche Erlebnis des Vortags hat keinerlei Spur hinterlassen.
    Als Fitzgerald die erste Hälfte des Buchs überarbeitet hatte, bemerkte er, dass viele seiner Puzzleteile nicht zusammenpassten, doch er konnte nicht noch einmal ganz von [419] vorn anfangen. Das Geld ging aus, die Zeit drängte, und Zelda drohte ihm vollends zu entgleiten. In dieser Situation nahm er Zuflucht zu einem erzählerischen Trick: Er fügte zwei Blätter ins Manuskript ein, die in starker Raffung den »eigentlichen« Amory zeigen – den Kern seines Charakters, der durch das Buch hindurch unverändert bleibt. Mit diesen Texten macht Fitzgerald aus der Not eine Tugend: Er kündigt an, dass Amory im Grund ein guter Kerl ist und im zweiten Buch lernen wird, seine Fehler zu überwinden.
    Es stellte sich noch ein anderes, grundsätzliches Problem: Der Erste Weltkrieg war das prägende Ereignis für die Generation, um die es in dem Roman geht. Aber just auf diesem Gebiet konnte Fitzgerald kaum auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Er hatte seine Zeit im Übungslager verbracht, nicht auf dem Schlachtfeld, doch dort spielte der Roman unter anderem. Deshalb ließ Fitzgerald den Krieg aus vier Dokumenten sprechen, die er als »Zwischenspiel« zwischen die beiden Hauptteile des Buchs stellte. Es handelt sich dabei um einen Brief und ein Gedicht Monsignore Darcys an Amory, um ein Gedicht von Amory selbst sowie um einen Brief von Amory an Tom D’Invilliers. Die vier Schriftstücke sind über die Zeit des realen Kriegsverlaufs verteilt und vermeiden die Erwähnung von Kampfhandlungen weitgehend.
    Die vier Schriftstücke zeigen Fitzgerald als Meister der Collagetechnik. Der Brief Thayer Darcys an Amory basiert wie seine anderen Briefe im Roman auf wirklichen Briefen, die Sigourney Fay an Fitzgerald schrieb und die heute in Princeton liegen. Und die poetische »Klage« stammt sogar [420] vollständig von Fay. Dieser hatte sie zusammen mit einem Brief am 10. Dezember 1917 an Fitzgerald geschickt. Fitzgerald nahm das Blatt, wie es war, und fügte es in sein Manuskript ein.
    Tatsächlich nutzte Fitzgerald verschiedene Quellen auf diese Weise.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher