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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Überarbeitung zurückgewiesen. Das ausführliche und ausnehmend höfliche Antwortschreiben des Verlags hält lobend fest, dass der Roman höchst originell sei; bemängelt wurde indes das Fehlen eines überzeugenden Schlusses und einer plausiblen inneren wie äußeren Entwicklung des Helden, auch wenn die Lektoren einräumen, [415] dass der Autor als Modernist gerade das beabsichtigt haben könnte. Sie betonen auch, dass sie das Buch keineswegs »konventionalisieren« wollten.
    Der Brief war überaus wohlwollend, doch sein kritisches Anliegen war unübersehbar: Der Roman führte nirgendwohin. Fitzgerald scheint diesen Einwand jedoch nicht wirklich ernst genommen zu haben. Jedenfalls gelang es ihm nicht, das Problem zu lösen. Er fühlte sich durch das Schreiben von Scribner’s zwar ermutigt und machte sich sofort an die Überarbeitung. Doch er nahm die Sache zu leicht. Zudem erlaubte ihm der Militärdienst nicht, den Text von Grund auf neu zu schreiben. Das erhaltene Material zeigt, dass Fitzgerald sich darauf beschränkte, innerhalb von zwei, drei Wochen eine Reihe von oberflächlichen Korrekturen im bestehenden Typoskript anzubringen. Bereits im September schickte er den Roman ein zweites Mal an Scribner’s. Dort war man mit der Überarbeitung begreiflicherweise nicht zufrieden. Im Oktober erhielt Fitzgerald die zweite Absage.
    Diese war zu der Zeit nicht sein einziger Kummer. Im Juli, während er in Montgomery, Alabama, stationiert war, hatte er sich auf einer Countryclub-Tanzparty in Zelda Sayre verliebt, eine Schönheit aus einer angesehenen Südstaaten-Familie. Die Romanze zwischen dem zweiundzwanzigjährigen Infanterieleutnant in seiner maßgeschneiderten Uniform und der achtzehnjährigen höheren Tochter erwies sich für beide Seiten als ernste Angelegenheit; noch im Herbst fand die Verlobung statt. Gleichzeitig ging der Krieg zu Ende: Der Waffenstillstand wurde just zu dem Zeitpunkt unterzeichnet, als Fitzgeralds Regiment sich nach [416] Europa einschiffen sollte. Im Februar 1919 wurde er aus der Armee entlassen, ohne dass er zum Einsatz gekommen wäre.
    Fitzgerald musste nun rasch eine Stellung erlangen und Geld verdienen. Einen Studienabschluss hatte er nicht. Also ging er nach New York, um für die Werbeagentur Barron Collier zu arbeiten, und versuchte, nebenher Erzählungen für Zeitschriften zu schreiben. Er musste Zelda und deren skeptischer Familie beweisen, dass er kein Versager war. Doch seine Versuche, sich in New York durchzusetzen, schlugen fehl. Die Arbeit in der Werbeagentur langweilte ihn, und beinahe alle seine Geschichten kamen mit Standard-Absagebriefen zurück. Zelda begann den Verdacht zu hegen, dass ihre Familie recht habe und dass er nicht imstande sein würde, für ihren Unterhalt aufzukommen. Ihre Zweifel wurden so stark, dass sie im Juni 1919 die Verlobung auflöste. Fitzgerald reagierte darauf mit einer ausgedehnten Sauftour (die sich in Diesseits vom Paradies ziemlich unverstellt wiederfindet), schmiss seinen Job hin, kehrte zu seinen Eltern in St. Paul zurück und besann sich auf sein Hauptgeschäft: den Roman. Jetzt erst versuchte er, ihn von Grund auf umzuschreiben. Er setzte große Hoffnungen in dieses Vorhaben: Der Roman sollte sein »Sesam, öffne dich« werden. Es ist seltsam, mit welch kindlicher Zuversicht Fitzgerald an der Idee festhielt, dass sein Erstling ihm das Lob der Kritik eintragen, ihn berühmt machen und ihm die Geliebte zurückgewinnen sollte; und noch seltsamer ist, dass alle diese drei Wunder tatsächlich eintraten. Fitzgerald beendete das Manuskript, Scribner’s nahm es an, es wurde ein vielfach rezensierter Bestseller, und der stolze Autor heiratete Zelda. Das alles ergab sich innerhalb von neun [417] Monaten, und die wundersame Erfolgsgeschichte wurde entscheidend für Fitzgeralds persönlichen Mythos. Die aus dem frühen Erfolg erwachsene Überzeugung, dass das Leben eine romantische Angelegenheit sei, habe ihn geprägt und jung erhalten, sagte er später einmal.
    Fitzgerald ging bei der endgültigen Überarbeitung seines Romans im Sommer 1919 nach einer Methode vor, die im Computerzeitalter als »copy and paste« geläufig ist. Er heftete im oberen Stock seines Elternhauses den Kapitelplan an den Vorhang und breitete sein Material aus. Es umfasste das von Scribner’s abgelehnte Typoskript, Gedichte und Skizzen aus der Princetoner Zeit sowie Manuskripte aus New York. Ende August hatte er eine über sechshundert Seiten lange Rohfassung des Romans
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