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Dieser Weg wird kein leichter sein

Dieser Weg wird kein leichter sein

Titel: Dieser Weg wird kein leichter sein
Autoren: Peter Gerald und Großmann Asamoah
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fürchterlich komisch. Aber man muss das verstehen, das war eben nicht normal für uns. Deshalb habe ich bis heute immer Verständnis für Kinder, die mir gegenüber zurückhaltend sind und mich sogar anfassen wollen. Ich kann mich wirklich gut in sie einfühlen, meine Hautfarbe ist für sie nun einmal ungewöhnlich.
    Für mich aber hatten Weiße noch eine andere besondere Note. Wir Kinder in Afrika dachten immer, alle Weißen sind automatisch wohlhabend und kommen aus reichen Ländern, weshalb wir einen gehörigen Respekt vor ihnen hatten. Und nicht wenigen Freunden von mir spukte es damals durch den Kopf: Wer weiß, wenn ich nett bin, dann nimmt mich vielleicht jemand mit nach Europa. Das war für jeden ein Traum.
    Und nun stand ich da an diesem tristen Novembertag am Frankfurter Flughafen. Es war bitterkalt, so wie ich es noch nie erlebt hatte, und bis auf meine Eltern, mich und meine Geschwister nur Weiße um uns herum. Ich hatte Angst vor dem, was kommen sollte, aber auch ein bisschen das Gefühl: Das muss das Paradies sein! Wobei ich auch ein wenig so aussah wie im Paradies: Ich hatte kaum etwas an! Und während meine Schwestern den guten Rat der Mama brav befolgt hatten – das taten sie übrigens sowieso öfter als ich –, war ich bekleidungsmäßig eindeutig der Loser. Meine Jacke war, wie gesagt, im Koffer und mein Vater unerbittlich. Es sollte schnell weitergehen nach Hannover, auspacken war nicht vorgesehen und so bibberte ich die ganze Fahrt über vor mich hin, obwohl ich auf dem Rücksitz zwischen meinen Schwestern gut eingekeilt war. Die neue Umgebung, die ich aus dem Autofenster erspähen konnte, schüchterte mich ein. Alles war so modern, gigantisch, hektisch. An einer Raststätte wollte ich sogar das Auto nicht verlassen, obwohl ich ganz dringend musste. Immerhin gab es toilettentechnisch dann doch ein Happy End. Als wir in der Wohnung in Hannover ankamen, galt mein Blick nicht unbedingt meinem neuen Reich, sondern vor allem dem Weg zur Toilette. So kam es, dass das Erste, was ich in Deutschland wirklich bewusst wahrnahm, ein Flachspüler war. Die Zeiten des Plumpsklos waren offensichtlich vorü­ber.
    Wie hatte ich mir Deutschland vorgestellt? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Das Land des Otto -Katalogs war es allemal und vor allem stellte ich mir Hannover als eine Stadt vor, in der aus den Wasserhähnen Kakao laufen musste. In Ghana ist Verfügbarkeit von Kakao nämlich ein echter Luxus.
    Damit wir uns schnell heimisch fühlten, gab es sofort nach der Ankunft etwas zu essen, was wir gut kannten. Das lenkte uns geschickt von dem ungewohnten Gefühl ab, in einer Wohnung in Deutschland zu sein, in der übrigens nicht nur meine Familie wohnte, sondern auch die Familie meines Cousins. Großfamilie Asamoah hatte Deutschland also fest im Griff. Das heimische Gericht war Fufu, ein Essen, das ich schon erwähnt habe. Aber diesmal traten mir fast die Augen aus dem Kopf. Es war Fufu mit Fleisch! In Ghana musste es schon ein Feiertag sein, wenn überhaupt mal Fleisch auf den Teller kam. Ein Hähnchen zum Beispiel gab es nur zu Weihnachten. Und jetzt, im November in Hannover, quoll das Fufu über vor Fleisch. Es war anscheinend wahr, meine Eltern hatten es geschafft und damit Klein Gerald gleich mit. Wer so viel Fleisch in das Essen tun kann, der muss wirklich reich sein, dachte ich. Und es kam noch besser: Ab diesem Abend gab es jeden Tag Fleisch und Schokolade. Ich war begeistert – und in gewisser Weise getröstet. Denn am Anfang habe ich in Deutschland viel geweint. Ich bekam Heimweh nach Ghana, die vertraute Umgebung fehlte mir sehr. Und natürlich meine Nana. Wir, meine Schwestern und ich, waren so eine lange Zeit Teil ihres Lebens gewesen, dass es auch für sie sehr hart gewesen sein musste, ohne Priscilla, Rexmond und den chao­tischen Gerald auszukommen. Ob sie wohl die Ruhe in Mampong genießen konnte? Wir waren jetzt bei unseren Eltern, aber sie war alleine.
    Ich habe sie nie gefragt, wie das alles für sie war. Komisch, aber bestimmte Sachen macht man einfach nicht. Ich weiß nur, dass wir ab und zu mit ihr telefoniert haben und dass es unheimlich lange gedauert hat, bis wir sie dann in Afrika wiedergesehen haben. Das war ein toller Tag. Ich spielte schon für Schalke 04 und war 20 Jahre alt. Kein kleiner Gerald mehr, sondern erwachsen und erfolgreich. Und dennoch fühlte ich
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