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Diesen Partner in den Warenkorb legen

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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen
Autoren: Annabel Dilling
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Message: Wir haben es geschafft. »Wir haben uns getraut!«
    Vielleicht lassen Gäste wie Barbara und ich den befreundeten Paaren den ganzen teuren Kitsch und die abgegriffenen Romantikschablonen nur deshalb durchgehen, weil wir wissen (oder es zumindest hoffen), dass tief unter dem Zuckerguss, unter dem vielen Konfetti und dem Wunderkerzen-Sternchen-Regen noch etwas anderes steckt: ein bewundernswert waghalsiger Akt. Da sind zwei Menschen, die sich für den Rest ihres Lebens lieben wollen. Eigentlich der Wahnsinn.
    Mythos Single-Gesellschaft: Warum allein zu leben ein sozialer Makel ist
    Wenn, wie es bei Epikur heißt, nichts barbarischer ist als alleine zu essen, dann sind moderne Supermärkte schuld an der Verwahrlosung des westlichen Menschen, zumindest in kulinarischer Sicht. 150 Gramm geschnittene Melone 2,39 Euro, 80 Gramm Parma-Schinken 2,99 Euro. Neun Rollen Sushi 7,99 Euro. Ein Stück New York Cheesecake 2,49 Euro – fertig ist das Kühlregal-Menü. In einer Zeit, in der Kochen zum sozialen Event und Gourmet-Kennertum zum Distinktionsgewinn taugt, ist Convenience Food, also verzehrfertig abgepackte Speisen, die perfekte Lösung für alle, die niemanden zum gemeinsamen Essen haben, sich aber trotzdem einigermaßen gut ernähren wollen. Zu teuer? Ach, man gönnt sich ja sonst nichts.
    Die Lebensmittelindustrie hat sich auf die Alleinlebenden eingestellt – und verdient bombig an ihnen. Nicht selten kosten die Ein-Portionen-Größen im Supermarkt genauso viel wie die normalen Packungen. Aber – und das muss man marketingtechnisch erst mal hinkriegen – die Singles kaufen sie trotzdem, vielleicht aus Wertschätzung dafür, dass sich da mal jemand Gedanken um sie und ihre Essgewohnheiten gemacht hat (vielleicht auch einfach, weil sie keine Lebensmittelreste wegwerfen wollen).
    Die Konsumangebote en miniature sind allein Marktforschungsüberlegungen geschuldet. An dem Standing des Singles ändern sie nichts. Das Maß aller Dinge in unserer Gesellschaft ist und bleibt die Paarbeziehung, da können die Alleinlebenden noch so versorgt sein mit handlichen Klopapierpackungen und Ein-Zimmer-Apartments auf dem Immobilienmarkt.
    Allein wie über Singles geredet wird, offenbart, wie gemeinhin über sie gedacht wird: Als Single könne man »sich austoben« (wie ein Kind) und »sich die Hörner abstoßen« (wie ein Tier), so die zwei häufigsten Formulierungen, denen – und das ist das eigentlich Bemerkenswerte – eindeutig eine zeitliche Begrenztheit innewohnt: Hauptsache, man ist nach dem Austoben und Hörner-Abstoßen wieder bereit für den nächsten Lebensabschnittsgefährten. Auch unser Sprachgebrauch macht deutlich: Alleine zu leben, ist nur als Übergangsphase von einer Beziehung in die nächste akzeptiert, keinesfalls als langfristiges Modell.
    In der öffentlichen Wahrnehmung gelten vor allem Dauersingles als komische Spezies: Während im Fernsehen das Bild des schrulligen Eigenbrötlers vorherrscht (Männer in Gestalt des Nerds, der keinen Einrichtungsgeschmack hat; Frauen in Gestalt der kauzigen Katzenfrau), dominiert im sozialpolitischen Kontext die Deutung vom Single als demjenigen, der den Generationenvertrag endgültig ruiniert. Durch seine egozentrische Lebensweise konterkariert er das Ideal der Kleinfamilie, verhindert – quasi im Alleingang – die Entlastung der Sozialkassen.
    Singles, vor allem den älteren unter ihnen, wird Lebensleere und Einsamkeit unterstellt und dadurch indirekt auch ein höheres Risiko, psychisch krank zu werden. Und ihre Kinderlosigkeit wird in den Medien oft genug zur Armutsfalle. Die Vorsorge-Rhetorik (»Wer kümmert sich um den Single im Alter?«) ist schon bemerkenswert in einem Kulturkreis, der seit Jahren die Vorzüge der Individualisierung feiert. In einem Artikel der Welt am Sonntag mit der vielsagenden Überschrift »Die bunte Welt der Paare und Familien« heißt es beispielsweise: »Klar ist deshalb, dass der gesellschaftliche Wandel, insbesondere die Zerbrechlichkeit der Partnerbeziehungen, neue soziale Probleme schafft und das Armutsrisiko vergrößert.« Die private Katastrophe wird zum Problem für alle.
    Wer selbst liiert ist, dem fällt wahrscheinlich gar nicht auf, wie sehr die Alltagswelt mit den Codes der Zweisamkeit durchdrungen ist: So gut wie jeder Prospekt, jede Plakatwand und jede Zeitschriftenanzeige zeigt glückliche Paare. Kein Wunder, dass Menschen wie Barbara Felgenhauer, die seit fünf Jahren Single ist, sich wie Aussätzige fühlen angesichts
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