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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert
Autoren: Hans Fallada
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einen Gefallen tun?«
    »Aber gerne! So gern!«
    »Das da drüben an dem Stand ist meine Tante, FrauMahling. Wollen Sie die wohl bitten, einen Augenblick zu mir zu kommen?«
    »Natürlich! Sofort! – Auf Wiedersehen, Fräulein, und weiter alles Gute!«
    »Tausend Dank! Ihnen auch!«
    Sie sieht, wie der alte Mann sich durch das Gewühl schiebt, an den recht vereinsamten Stand drüben. Ach, die Tante – wird sie kommen? Und wird sie tun, worum man sie bittet! Sie muss doch mit Neid herübersehen – sie ist doch so. Ganz Berlin ist ohne Zitronen – aber Pottschmidt hat welche! Wie der Mann das nur anstellt! Und ihre Nichte verkauft sie, strahlend, glücklich ...
    »Na, Hanne, was ist denn? Ihr macht ja heute mal wieder euern Fischzug, alle Kundschaft schnappt ihr mir weg!«
    »Ja, nur fünf Stück. Tut mir leid, nein!« Und zur Tante: »Ach, Tante Guste, es geht ihm so viel besser, und ich darf ihn heute zum ersten Mal wach sehen und vielleicht sogar sprechen – um neun Uhr! Und du siehst doch, wie es hier zugeht!«
    Die Tante sieht sie durch die Brille mit den kleinen, runden Augen scharf an.
    »Das ist schön, dass es ihm bessergeht«, sagt sie, aber es klingt recht grämlich.
    »Ja«, sagt Hanne und gibt ihrem Herz einen Stoß. »Und ich soll um neun bei ihm sein, hat der Arzt gesagt – hinterher schläft er gleich wieder. – Tante Guste, sei einmal furchtbar nett und spring hier für mich ein! Nur eine halbe Stunde!«
    »Ich?«, sagt Tante Guste, und es hat ihr wirklich den Atem versetzt. »Ich soll für Pottschmidt verkaufen? Zitronen? Wo ich selber keine habe? Und mein Stand bleibt leer?«
    »Tu’s doch, Tante!«, bettelt Hanne Lark. »Sei einmalfurchtbar nett! Ich finde, du musst ihn und mich ein bisschen entschädigen. Mach’s, Tantchen, lass mich nicht so lange betteln!«
    »Ich habe noch nie so was gehört! Was sollen denn die Leute in der Halle denken? Wo sie doch alle wissen, wir sind nicht gut miteinander!«
    »Die denken dann eben eine halbe Stunde lang, wir sind  wieder gut miteinander! Hinterher können wir ja wieder böse miteinander sein – wenn du es durchaus willst! Du kannst mich ja gleich anschnauzen, wenn ich zu spät komme. Ich komme ganz bestimmt zu spät. In einer halben Stunde schaff ich es nie!«
    Und Hanne Lark lacht. Sie lacht und verkauft dabei, sie wiegt ab, wechselt Geld, spricht zur Tante – ihre Augen sprühen wieder vor Lebenslust. Sie zieht in aller Biederkeit die gute Tante Guste ein bisschen durch den Kakao. Die gute Tante Auguste Mahling, die gar nicht gesonnen ist, gut zu sein.
    »Nein, Hanne«, sagt sie. »Es geht nicht, so gerne ich es auch wollte!« (Die schöne Redensart all derer, die ganz bestimmt nicht gerne wollen.) »Ich kann’s wegen der Leute und wegen meines Rufes nicht. Es ist ganz unmöglich.«
    »Aber Tantchen!«, ruft Hanne und lässt dabei mit betäubendem Lärm ein Fuder Nüsse in die messingne Waagschale prasseln. »Mein Ruf ist doch jetzt prima! Wir heiraten doch – seine Mutter hat mich schon anerkannt. Weißt du das denn noch nicht?«
    »Woher soll ich das denn wissen? Er hat also eine Mutter? Vater ist wohl nicht da?«
    Ihre Stimme ist sehr argwöhnisch.
    »Statt des Vaters gibt’s eine Fabrik, Tante, vom Vater her. Eisenwaren. 377 Arbeiter, 56 Lieferautos, 43 Buchhalter.Und ich werde Frau Fabrikbesitzer, und wenn wir Betriebsausflug machen, kaufen wir alles Obst bei Mahlings – einen ganzen Lastwagen voll! So, Tantchen, und hier hast du meine Schürze! Lina, sei nett zu meiner Tante, wenn sie auch nicht nett zu dir ist, sie ist nun mal so – und mehr als fünf Zitronen kriegt keiner, Tantchen!«
    »Fünf!«, grollt die Tante. »Drei werde ich jedem geben! Nein, nur zwei, mit zwei Zitronen kann man sich auch einrichten. He, Sie, passen Sie doch ein bisschen auf, Sie fallen ja gleich in den Appelkorb – und Sie, drängeln Sie nicht so, deswegen nehme ich Sie nur ein bisschen später dran, wenn Sie so drängeln!«
    Ja, nun weht ein anderer Wind am Pottschmidt’schen Stand. Nicht nur die Kundschaft ist unzufrieden, auch Herr Pottschmidt der Große wär’s – aber der ist gottlob am Kurfürstendamm.
    Jedenfalls rächt sich Tante Mahling für den ihr aufgezwungenen Posten ausgiebig an der Kundschaft, ihre Galle arbeitet zufriedenstellend.
    Einmal war sie fast so weit, ein Mensch zu werden. Aber das ist schon wieder halb vergessen. Es ist wie ein böser Traum, der nichts Wahres in sich trägt. Man muss nicht mehr daran denken.
    Immerhin, als
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