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Dienstanweisungen für einen Unterteufel

Dienstanweisungen für einen Unterteufel

Titel: Dienstanweisungen für einen Unterteufel
Autoren: C.S. Lewis
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ganzen Betens nie aus den Augen zu lassen. Denn sollte er je dazu kommen, zu unterscheiden, sollte er je bewußt beten „ nicht zu dem, was ich mir von Dir vorstelle“, sondern zu dem, „der Du aus Dir selbst bist“, dann ist unsere Lage für den Augenblick verzweifelt. Hat er einmal alle seine Gedankenbilder und Vorstellungen weggeworfen, oder wenn er sie behält, dies mit der vollen Erkenntnis getan, daß sie bloß subjektiver Natur sind, und vertraut er sich nun der unbedingten, wirklichen, außer ihm sich befindenden, unsichtbaren Gegenwart an, die dort im selben Zimmer mit ihm ist, obwohl er sie nie erkennen kann, wie er von ihr erkannt ist – nun, dann wird das Unberechenbare eintreffen. Um aber diese Lage, das völlige Bloßwerden der Seele im Gebet, zu vermeiden, wirst Du eine große Hilfe finden in der Tatsache, daß die Menschen selbst dies nicht so sehr wünschen, wie sie glauben. Es kann nämlich vorkommen, daß man mehr erhält, als man gewünscht hat.
    Dein Dich liebender Oheim
    Screwtape

V
    Mein lieber Wormwood,

    Es ist ein wenig enttäuschend, wenn man von Dir einen ausführlichen Arbeitsrapport erwartet und statt dessen solch eine verworrene Rhapsodie wie Deinen letzten Brief erhält. Du berichtest, Du seiest „rasend vor Freude“ darüber, daß sich die Europäer in einen neuen Krieg gestürzt haben. Ich weiß aber nur zu gut, was mit Dir los ist. Du bist nicht „rasend“, sondern Du bist ganz einfach „betrunken“. Wenn ich zwischen den Zeilen Deines unausgewogenen Berichtes über die schlaflose Nacht Deines Patienten lese, dann kann ich mir Deinen Geisteszustand ziemlich genau vorstellen. Zum erstenmal in Deiner Laufbahn durftest Du von jenem Weine kosten, der unserer Mühe und Arbeit Lohn ist – die Angst und die Verwirrung einer Menschenseele –, und dieser Wein ist Dir in den Kopf gestiegen. Es fällt mir schwer, Dich zu tadeln. Ich kann ja nicht erwarten, auf Deinen jungen Schultern einen alten, erfahrenen Kopf zu finden. Reagierte Dein Patient auf einige Deiner erschreckenden Zukunftsbilder? Hast Du ihn dazu gebracht, sich selbst zu bemitleiden durch Vorspiegelung seiner glücklichen Vergangenheit? – Waren einige feine Stiche in der Magengegend mit dabei, oder? Du hast Deine Fiedel glänzend gespielt, nicht wahr? – Nun, nun, mein Lieber, das ist alles ganz natürlich! Aber vergiß nicht, lieber Wormwood, die Pflicht kommt vor dem Vergnügen. Wenn uns durch Deine gegenwärtige Zügellosigkeit unsere Beute entgeht, dann wirst Du in Ewigkeit nach dem Trunke dürsten müssen, dessen erster Schluck Dich derart berauschte. Wenn Du aber durch Stetigkeit, Fleiß und kühles Überlegen seine Seele endgültig fesseln kannst, dann wird er für ewig Dein eigen sein – ein bis zum Rand gefüllter Becher voller Verzweiflung, Entsetzen und Erstaunen, den Du so oft an deine Lippen führen kannst, als es Dir beliebt. Darum lasse Dich durch keine vorübergehenden Erregungen von Deiner wichtigsten Aufgabe abbringen: den Glauben zu untergraben und die Bildung von Tugenden zu verhindern. Gib mir in Deinem nächsten Briefe einen ausführlichen Bericht über die Reaktion Deines Patienten auf den Krieg, damit wir uns darüber schlüssig werden können, ob wir eher ans Ziel kommen, wenn Du einen extremen Nationalisten oder einen eifrigen Pazifisten aus ihm machst. Es stehen uns viele Möglichkeiten offen. Inzwischen muß ich Dich dringend warnen, nicht zu viel Hoffnung auf den Krieg zu setzen!
    Natürlich bringt der Krieg Abwechslung. Die momentane Angst und die ungeheuren Leiden der Menschen sind für die Myriaden unserer hart geplagten Arbeiter eine berechtigte und angenehme Erfrischung. Aber welch bleibenden Gewinn haben wir davon, wenn wir diese Gelegenheit nicht nützen können, um Unserem-Vater-in-der-Tiefe Seelen zuzuführen? Sehe ich die zeitlichen Leiden der Menschen, die uns zuletzt doch entrinnen, so ist es mir, wie wenn man mir erlaubte, vom ersten Gang eines Festmahles zu kosten, und mir den Rest vorenthielte. Das ist viel schlimmer, als überhaupt nicht davon kosten zu dürfen. Der Feind mit Seiner rohen Kriegführung erlaubt uns, das kurze Elend Seiner Lieblinge für eine Zeit mit anzusehen, um uns Tantalusqualen erleiden zu lassen und Sich über unseren unstillbaren Hunger zu belustigen, den Seine Blockade während dieser ganzen Phase des Kampfes über uns verhängt. Wir wollen lieber bedenken, wie wir diesen europäischen Krieg ausnützen können, als daran, wie wir ihn genießen.
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