Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dienstanweisungen für einen Unterteufel

Dienstanweisungen für einen Unterteufel

Titel: Dienstanweisungen für einen Unterteufel
Autoren: C.S. Lewis
Vom Netzwerk:
eingebildete Gestalt der wirklichen Erscheinung, der scharfzüngigen alten Dame am Frühstückstisch, täglich weniger entsprechen zu lassen. Mit der Zeit kannst Du die Kluft so sehr vertiefen, daß weder von den Gedanken noch von den Gefühlen, die ihn beherrschen, wenn er für seine eingebildete Mutter betet, etwas übertragen wird auf sein Benehmen der wirklichen Mutter gegenüber. Ich hatte verschiedene eigene Patienten so vollständig in der Hand, daß sie unmittelbar nach leidenschaftlichem Gebet für das „Seelenheil“ der Frau oder des Sohnes die gleiche Frau oder denselben Sohn schlagen oder beschimpfen konnten, ohne die geringsten Gewissensbisse zu empfinden.
    3. Haben zwei Menschen jahrelang zusammengelebt, so gibt es sich, daß ein gewisser Tonfall und ein gewisser Gesichtsausdruck des einen dem andern einfach unerträglich wird. Daran mußt Du arbeiten. Bringe Deinem Patienten jenen eigenartigen Augenaufschlag seiner Mutter, der ihn schon in seiner Kindheit peinlich berührte, ins volle Bewußtsein, und lasse ihn völlig beherrscht werden von dem Abscheu, den er davor empfindet. Bestärke ihn in der Annahme, seine Mutter wisse, wie widerwärtig ihm dies sei, und reize ihn nun absichtlich damit. Wenn Du Dein Handwerk gut verstehst, so wird er nie merken, wie unwahrscheinlich diese Annahme ist. Und lasse ihn natürlich nie vermuten, daß auch er wunderliche Angewohnheiten besitzt, die seiner Mutter ähnlich widerwärtig sein könnten. Da er sich selbst weder hören noch sehen kann, ist das leicht zu bewerkstelligen.
    4. In gebildeten Kreisen äußert sich künstlicher Haß gewöhnlich dadurch, daß man etwas sagt, was aufgeschrieben völlig harmlos wirkt (die Worte selbst sind nicht beleidigend), was aber durch den Tonfall oder in dem besonderen Augenblick wie ein Schlag ins Gesicht wirkt. Um dieses Spiel in Gang zu halten, müssen Du und Glubose darauf bedacht sein, daß jeder dieser beiden Dummköpfe nach zweierlei Maßstäben mißt. Der Sohn wird verlangen, daß alle seine eigenen Äußerungen unvoreingenommen und ohne Nebenbedeutung verstanden werden, währenddem er gleichzeitig jede Bemerkung seiner Mutter mit größter Empfindlichkeit auslegt nach ihrem Tonfall, nach dem Zusammenhang und einer vermeintlichen Absicht. Die Mutter muß darin bestärkt werden, in gleicher Weise zu reagieren. So werden sie nach jedem Streit mit der Überzeugung auseinandergehen, vollkommen unschuldig zu sein. Du kennst doch solche Anlässe wie: „Ich frage sie nur, wann wir essen können, und schon wird sie heftig.“ Hat sich diese Gewohnheit einmal eingebürgert, so hast Du die höchst erfreuliche Situation eines Menschen vor Dir, der Dinge sagt mit der ausdrücklichen Absicht zu beleidigen, und der sich darüber beschwert, wenn der andere sich beleidigt fühlt.
    Was ich noch sagen wollte: Erzähle mir doch bitte etwas über die religiöse Einstellung der alten Dame. Ist sie etwa eifersüchtig auf die neue Wendung im Leben ihres Sohnes? Ist sie etwa gekränkt darüber, daß er von andern auch so spät gelernt hat, wozu sie ihm nach ihrer Überzeugung während seiner Kindheit so gute Gelegenheit gegeben hatte? Hat sie das Gefühl, er mache allzuviel Wesens von der Sache oder mache es sich reichlich leicht? Erinnere Dich an den älteren Bruder in jener Geschichte unseres Feindes!
    Dein Dich liebender Oheim
    Screwtape

IV
    Mein lieber Wormwood,

    Die laienhaften Vorschläge in Deinem letzten Briefe zeigen mir, daß es höchste Zeit ist, Dich einmal gründlich über das für uns so schmerzliche Thema Gebet aufzuklären. Du hättest Dir die Bemerkung ruhig sparen können, meine Ratschläge in bezug auf sein Beten für seine Mutter hätten sich als „ausgesprochen unglücklich erwiesen“. Das gehört sich weder für einen Neffen seinem Onkel noch für einen Untergebenen seinem stellvertretenden Abteilungschef gegenüber. Es enthüllt auch eine unliebsame Tendenz, die eigene Verantwortung auf fremde Schultern abzuwälzen. Du wirst lernen müssen, für Deine Dummheiten selbst zu büßen.
    Die beste Taktik wird nun sein, Deinen Patienten, wenn möglich, von jedem ernsthaften Vorsatz, zu beten, abzuhalten. Ist der Patient erwachsen und erst vor kurzer Zeit ins Lager des Feindes zurückgekehrt, wie das hier der Fall ist, dann erreichst Du das am besten dadurch, daß Du in ihm die Erinnerung oder die vermeintliche Erinnerung an nachgeplapperte Gebete seiner Kindheit weckst. Als Reaktion dagegen kann man ihn vielleicht dazu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher