Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zwoelf Gebote

Die zwoelf Gebote

Titel: Die zwoelf Gebote
Autoren: Sidney Sheldon
Vom Netzwerk:
Stadt in Vermont. Dort gab es überhaupt nur diese einzige Kirche. Der vorige Priester war fortgegangen, und die Leute wollten rasch einen neuen haben. Der war George.
    Sie freuten sich sehr darauf, ihren neuen Priester willkommen zu heißen. Aber schon nach einer Woche hätten sie ihn gern wieder losgehabt.
    Zum katholischen Ritus gehört die Beichte. Die Leute knien sich in eine kleine Nische und reden mit dem Priester, der verborgen auf der anderen Seite sitzt. Sie beichten ihm ihre Sünden.
    Nun war der vorige Priester ein sehr gütiger Mann gewesen. Beichtete ihm eines seiner Pfarrkinder seine Sünden, so sagte er: „Bete fünfzig Ave Maria, mein Sohn (oder meine Tochter), und deine Sünden sind dir vergeben."
    Aber nicht so George. O nein. Die erste Beichte, die er hörte, war die eines jungen Mädchens, das in den Beichtstuhl kam und sagte: „Pater, ich habe gesündigt."
    „Was hast du getan?" fragte George. „Mein Freund hat mich neulich zum Tanz ausgeführt, und wir haben Whisky getrunken, und dann habe ich mich von ihm anfassen lassen." George auf der anderen Seite des Beichtstuhlgitters schrie geradezu: „WAS HAST DU?"
    Dem Mädchen verschlug es buchstäblich die Sprache.
    „Wie konntest du das nur tun?" ereiferte sich George. „Weißt du denn nicht, daß Whisky das Getränk des Teufels ist? Und du läßt dich von einem Mann berühren? Von einem Mann, mit dem du nicht verheiratet bist? Du bist niedrig und böse! Verlasse sofort meinen Beichtstuhl!"
    Das arme Mädchen war völlig verwirrt und lief weinend zu seiner Mutter nach Hause.
    Der nächste, der in den Beichtstuhl kam, war ein schon älterer
Mann.
„Pater, ich habe gesündigt."
    „Schande über dich!" sagte George. „Was hast du getan?" Der alte Mann war nicht daran gewöhnt, daß ein Priester so mit ihm sprach. Priester hatten mitfühlend und verständnisvoll zu sein.
    „Ich bin arbeitslos", sagte der alte Mann. „Ich besitze keinen Pfennig, habe aber einen Enkel zu versorgen. Es war nichts Eßbares im Hause, und da habe ich auf dem Markt ein Brot gestohlen, damit ich meinem Enkelkind zu essen geben kann." „DU HAST BROT GESTOHLEN? DIEB!" „Aber mein Enkelkind..."
    „Ich will keine Ausreden hören! Du hast das siebte Gebot gebrochen: Du sollst nicht stehlen! Ins Gefängnis muß man dich werfen!" Der alte Mann traute seinen Ohren nicht.
    Das nächste Beichtkind war eine Frau. Sie sagte: „Pater, ich habe gesündigt."
    George war bereits zornig. „Was ist mit euch Leuten hier eigentlich los? Habt ihr denn alle gesündigt? Warum könnt ihr nicht sein wie ich?"
    Dann zwang er sich jedoch, sich zu beruhigen und sagte: „Also, erzähle mir deine Sünde. Ich hoffe nur, es ist nichts zu Ernstes."
    „Nein, Pater, Ernstes ist es nicht. Ich bin verheiratet. Neulich
    rief mich ein alter Freund von früher an. Aber ich wollte nicht mit ihm reden und legte auf. Als mein Ehemann fragte, wer das gewesen sei, sagte ich, falsch verbunden. Sie sehen, es war nur eine ganz kleine Sünde, aber..."
    „Es gibt keine kleinen Sünden!" donnerte George. „Du bist eine Lügnerin! Gott vergibt Lügnern nicht!"
    Sein Pfarrkind war geschockt. „Ich habe es doch nur um des Friedens in meiner Familie willen getan, Pater!"
    „Gott kümmert nicht, warum du es getan hast. Er weiß nur, daß du gelogen hast!"

    Jetzt, wo er seine eigene Pfarrei hatte, war George noch schlimmer, als er schon im Priesterseminar gewesen war. Er war derart rein und heilig, daß es nicht auszuhalten war. Bei seiner ersten Predigt von der Kanzel blickte er streng in die Runde und sagte: „Ich bin jetzt euer neuer Priester. Mein Name ist George. Ich bin ein reiner und frommer Mann. Wenn ich mir euch so ansehe, erblicke ich nichts als eine Kirche voller Sünder, ihr alle miteinander. Ihr seid böse, aber ich werde das ändern. Wenn ich erst mit euch fertig bin, werdet ihr alle gut und rein sein und im Lichte des Herrn leben."
    Die nächste halbe Stunde verbrachte er damit, der versammelten Gemeinde tüchtig die Leviten zu lesen. Am Ende der Woche sehnte sich die gesamte Stadt nur noch danach, George möglichst schnell loszuwerden. Der Bürgermeister telefonierte persönlich mit dem Bischof. „Sie müssen diesen Mann hier wieder wegholen. Das ist ja ein Wahnsinniger." „Was hat er denn getan?"
    „Er tut so, als wären wir alle Kriminelle. Alle lügen mal ein bißchen, stehlen mal eine Kleinigkeit, betrügen dann und wann ein klein wenig, gehen mal mit einer anderen Frau nebenhinaus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher