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Die Zweitfrau

Die Zweitfrau

Titel: Die Zweitfrau
Autoren: Gabriele Ploetz
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mehr zurück. Warum, weiß ich nicht. Dann sehe ich, dass die beiden Jungs nach draußen kommen. Und nun ist mir klar, ich muss wieder rein. Alessa soll nicht das Gefühl haben, sie ist auf sich alleine gestellt. Als ich das Zimmer betrete, macht mir Alessa sofort Platz und ich setze mich, nehme Peters Hand und sage ihm, dass ich nun wieder da bin. Die elende Raucherei, er weiß ja. Dann ist es still. Und plötzlich merke ich, jetzt löst sich die Verbindung zwischen uns. Ich stehe auf, lege ihm meine linke Hand auf die Schulter und fühle im gleichen Augenblick, wie ein unglaublich starker Energieschub von ihm auf mich prallt. Ich nehme den Blick nicht von ihm und sage zu seiner Tochter:
    „Geh und hol die Jungs, es ist jetzt gleich zu Ende.“
    „Bist du sicher?“, ist ihre Frage.
    „ Ja. Schnell. Mach. Es ist gleich vorbei“.
    Sie eilt aus dem Zimmer und ich beuge mich zu Peter hinunter und flüstere ihm ins Ohr:
    „Hab keine Angst Liebes, wir beide sehen uns wieder. Da kannst du ganz sicher sein.“
    Dann geht die Tür auf und Alessa und ihr Bruder Jochen kommen ins Zimmer gestürzt. Thomas ist nicht dabei. Er ist auf der Toilette. Wir stehen ums Bett herum und warten. Dann, als ich gerade das Zimmer verlassen will, um nach Thomas zu ru fen, ihn eventuell zur Eile antreiben, geht die Türe auf und er kommt rein. Nun stehen alle vier am Bett. Und offensichtlich hat Peter darauf gewartet. Er schlägt die Augen auf, hebt den Kopf, schaut mit glasklarem Blick jeden einzelnen von uns an. Er legt den Kopf zurück, atmet noch einmal und dann ist es vorbei. Ich schaue auf meine Armbanduhr. Es ist genau 15.40 Uhr.
    Wir umarmen uns weinend, streicheln seine Hand, sind irgendwie völlig neben uns und doch miteinander verbunden. Ich gehe nach draußen und hole die diensthabende Schwester, der ich sage:
    „Kommen Sie bitte. Ich denke, es ist vorbei.“
    Sie kommt sofort mit und bestätigt es. Sie geht wieder, wir sind wieder mit Peter alleine. Nein, er ist nicht mehr da. Das was ihn ausgemacht hat, ist schon fort. Und obwohl wir es doch gewusst haben, können wir es irgendwie nicht so richtig fassen. Ich sage meiner Schwester Bescheid. Wir stehen in fester Umarmung da und weinen, sind traurig und doch auch erleichtert.
    Nach einer Weile kommen die Schwestern wieder, Sie wollen Peter „zurechtmachen“, ihn aufbahren. Wenn wir wollen, so kann er noch sechsunddreißig Stunden in diesem Zimmer bleiben. Die Schwestern können Abschied nehmen von ihm und wir können immer wieder zu ihm, wenn wir wollen.
    Wir setzen uns alle nach draußen zu meiner Schwester und bekommen Kaffee, die Kinder rufen Marlies, ihre Mutter, an. Die Schwestern und ehrenamtlichen Mitarbeite rn die da sind, kommen auf die Terrasse, nehmen mich in den Arm, sprechen ihr Beileid aus. Und alle sind auf eine Art froh für ihn. Jeder hat gesehen, hat erlebt, wie sehr Peter sich die letzten Tage gequält hat. Wie furchtbar alles gewesen ist.
    Es ist eine friedliche Stimmung. Wir trinken Kaffee, planen was zu tun ist, wer was erledigen wird. Zwischen durch wird auch schon mal gelacht, wenn sich jemand erinnert, was Peter zu welcher Gelegenheit gesagt hat oder hätte. Als die Schwester kommt und uns mitteilt, dass Peter aufgebahrt ist, gehen wir wieder in sein Zimmer. So friedlich liegt er da. Er hat, wie er es sich gewünscht hat, seinen Anzug an. Die Hände auf der Bettdecke gefaltet und darin eine Blume.
    Wir beginnen, das Zimmer zu räumen. Als wir fertig sind, gehen wir wieder nach draußen zu meiner Schwester. Noch eine Tasse Kaffee für jeden. Dann erscheint plötzlich Frederik, der Sohn meiner Schwester. Er kommt direkt von der Arbeit, wo ihn die SMS meiner Schwester erreicht hat.
    Er nimmt mich in den Arm.
    „Wir sind da für dich“.
    Mehr ist gar nicht nötig und bei mir fließen die Tränen. Wir sitzen noch eine Weile da und reden. Jeder weiß etwas, was er über Peter sagen kann. Lustige Dinge, auch Trauriges, banale und wichtige Erlebnisse. Erinnerungen eben, die jeder so mit sich herumträgt.
    Bevor wir gehen, gehe ich noch einmal zu Peter, stehe an seinem Bett und ich erinnere mich daran, wie alles mit uns angefangen hat. Ein sehr seltsamer Anfang, bei dem niemand wissen konnte, wohin dieser „Anfang“ führen wird. Wie eigenartig der Beginn unsere Bekanntschaft gewesen ist und wie überraschend sich alles entwickelt hat. Wer hätte das gedacht? Heißt es nicht immer, eine Geliebte hat schlechte Karten? In den meisten Fällen stimmt das
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