Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
seine Ärmel und Hosenbeine zu kurz. Weiße Narbe auf der linken Halsseite. Setzt beim Lesen eine Brille auf. Ist er das?»
    «Vage nennen Sie das? Ihr Gedächtnis möchte ich haben! Genau der ist es. Edward, Sie wissen doch, wenn der Sohn eines im Dienst getöteten Polizeibeamten zu uns kommt, müssen wir besonders wachsam sein. Möglich, daß er es nur tut, um sich zu rächen oder um zu beweisen, daß er genauso gut ist wie sein Daddy oder besser als sein Daddy. So was kann ganz schön schiefgehen. Aber egal, ich hab diesen Abner Boone jedenfalls im Auge behalten und ihm geholfen, wo es ging. Der Junge hat sich fabelhaft gemacht. Hat es schließlich bis zum Sergeant gebracht, und vor zwei Jahren hat man ihm eines dieser Sonderdezernate anvertraut, die aushelfen, wenn die Arbeit überhandnimmt oder wenn ein ganz großer Fall vorliegt.»
    «Haben die sich denn bewährt?» fragte Delaney. «Diese Sonderdezernate?»
    «Die endgültige Bewertung steht noch aus», sagte Thorsen. «Aber ich glaube nicht, daß man sie beibehalten wird. Sie erregen zuviel Mißgunst bei den regulären Einheiten. Das ist nur allzu verständlich. Aber wie dem auch sei, dieser Abner Boone bekam jedenfalls sein Dezernat und hat sich da offenbar sehr gut gemacht. Ein paar wichtige Festnahmen gehen auf sein Konto und außerdem noch dies und jenes. Aber dann fing er an zu trinken. Und zwar schlimm. Eine Zeitlang haben seine Untergebenen ihn gedeckt, doch dann ging es nicht mehr. Ich tat, was ich konnte - hab ihm gut zugeredet, ihn in ärztliche und psychiatrische Behandlung geschickt, zu den Anonymen Alkoholikern, alles Einschlägige -, aber geholfen hat nichts. Edward, der Junge strengt sich an. Ich weiß, daß er es tut. Er gibt sich wirklich Mühe. Aber wenn er noch mal versackt, ist er draußen.»
    «Und das ist der Mann, den Sie mir für die Maitland-Ermittlungen zuteilen wollen? Einen Schnapsbruder?»
    Thorsen stieß ein kurzes Lachen aus.
    «Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen», sagte er. «Ich dachte, wir können J. Barnes Chapin bei Laune halten, indem wir die Ermittlung weiterführen, auch wenn dabei nichts herauskommt. Gleichzeitig könnte ich Abner Boone von seinem Schreibtisch wegkriegen und ihm einen Sonderauftrag geben, und vielleicht wird ihm das helfen, sich aus dem Sumpf zu ziehen. Immerhin lohnt sich der Versuch. Und selbst wenn er wieder versackt, wer merkt das schon? Bloß Sie.»
    Voller Verwunderung blickte Delaney ihn an. Vielleicht, dachte er, ist das das Geheimnis von Thorsens Erfolg. Menschen manipulieren, ihnen aber gleichzeitig haarklein auseinandersetzen, warum er es tut und wie. Leicht verwirrt durch Thorsens Freimütigkeit, gleichzeitig aber auch überwältigt von dem Ausdruck der Redlichkeit in den eisblauen Augen, erklären sie sich mit allem und jedem einverstanden. Es klingt ja alles so vernünftig.
    «Ich werde eine Nacht drüber schlafen», wiederholte er.
    Zwei Stunden später saß er mit Monica auf der Wohnzimmercouch. Der Fernsehapparat war ausgeschaltet. Sie tranken koffeinfreien Kaffee. Er berichtete ihr genau, was Ivar Thorsen gesagt hatte und ließ praktisch nichts aus.
    «Was meinst du?» fragte er zum Schluß.
    «Er ist Alkoholiker?»
    «Abner Boone? Sieht so aus, nach allem, was Ivar gesagt hat. Oder er ist auf dem besten Weg, einer zu werden. Aber darum geht es nicht. Wenn Boone Mist macht, geben sie mir einen anderen. Die Frage ist: soll ich es übernehmen?»
    «Möchtest du?»
    «Ich weiß es nicht. In gewisser Weise schon, dann wieder nicht. Was mich reizt, wäre die Chance, Maitlands Mörder festzunageln. Es geht nicht an, daß ein Menschenleben vernichtet wird und der Mörder ungeschoren davonkommt. Das ist nicht recht. Ich weiß, es hört sich simpel an, aber so empfinde ich nun mal. Mein Gott, wenn … Hm … Andererseits bin ich pensioniert, und nicht ich bin es, den der Schuh drückt, sondern die Behörde. Trotzdem … Was meinst du?»
    «Ich finde, du solltest es tun», sagte sie.
    «Du möchtest mich aus dem Weg haben, was?» lächelte er. «Aus dem Haus? Ich soll wieder was um die Ohren haben?»
    «Nein», sagte sie gedehnt. «Manchmal kannst du einem allerdings schon ganz schön auf die Nerven gehen.» Mit einem Ruck sah er auf. «Ich finde nur, das wäre was für dich. Aber es liegt wirklich bei dir. Du mußt da ganz allein entscheiden.»
    Er machte eine einladende Handbewegung, und sie kam und setzte sich ihm auf den Schoß. Er legte ihr den Arm um die Taille, und sie schlang
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher