Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
verachten war.
    Bei der Erinnerung an dieses Erlebnis lächelnd, gingen sie ins Wohnzimmer, wo er zwei Drinks zurechtmachte. Dann ließen sie sich behaglich nieder, die Beine weit von sich gestreckt.
    Ivar Thorsen, der Stellvertretende Commissioner, kam pünktlich um neun. Monica blieb im Wohnzimmer, um ihr Fernsehprogramm anzusehen, die beiden Männer gingen ins Arbeitszimmer hinüber und machten die Tür hinter sich zu. Delaney kam nach ein paar Augenblicken noch einmal zurück, den Eisbehälter holen. Seine Frau saß auf der Kante des Sessels, vorgebeugt, die Ellbogen auf den Knien, die Augen auf dem Bildschirm. Delaney lächelte und strich ihr übers Haar, ehe er hinüberging in sein Zimmer.
    «Was soll's sein, Ivar?» fragte er. «Bourbon, Scotch oder was anderes?»
    «Ein Scotch wäre mir recht, Edward. Aber nur Scotch, bitte, kein Wasser, kein Eis.»
    Sie saßen sich in alten Klubsesseln gegenüber, deren Lederbezüge trocken und rissig waren, hoben die Gläser, um sich zuzuprosten, und nippten daran.
    Thorsen wurde ‹Admiral› genannt und sah auch so aus: etwas dünnes, silbermeliertes Haar, durchdringende blaue Augen und eine Haltung, so aufrecht, daß man den Eindruck hatte, er sei erstarrt. Er war schlank, hatte zarte Knochen und wirkte stets ausgesprochen gepflegt.
    Thorsen war ehedem Delaneys Mentor gewesen, sein ‹Rabbi›, wie man das nannte, und zwar ein guter, denn er besaß eine ausgesprochene Begabung für den politischen Nahkampf, geradezu einen sechsten Sinn, der ihn befähigte, in den blindwütigen Auseinandersetzungen, die immer wieder die Stadtverwaltung erschütterten, auf den Gewinner zu setzen. Ja, mehr noch: er genoß diese Welt, in der das allzu Menschliche mit dem Wortlaut des Gesetzes in Konflikt geriet. Geschickt tänzelte er zwischen den Trümmern hindurch und machte sich nie die Füße schmutzig.

    «Wie geht's denn so?» erkundigte sich Delaney.
    Thorsen drehte die Hand rasch hin und her.
    «Immer dasselbe», sagte er. «Sie wissen ja wohl Bescheid über die Budgetkürzungen und das Gerangel um Prioritäten.»
    «Nimmt die Kriminalität zu?»
    «Nein, das ist ja gerade das Verrückte!» Thorsen lachte kurz auf. «Weniger Polizeibeamte und trotzdem weniger Verbrechen. Die Gewerkschaften waren fest davon überzeugt, daß die zunehmen würde. Ich übrigens auch.»
    «Ich ebenfalls.» Delaney nickte. «Freut mich aber, daß es nicht so ist. Bernhardt macht seine Sache sehr gut.»
    Bernhardt war Delaneys Nachfolger als Chief der Kriminalpolizei. Vor seiner Ernennung hatte er das Kommissariat von Brooklyn geleitet. Sein Schwiegervater saß im Aufsichtsrat einer höchst angesehenen New Yorker Bank, die Riesenpakete von Schuldverschreibungen und Anleihen der Stadt New York in ihrem Besitz hatte. Schaden tat ihm das nicht.
    «Gut, schon», sagte Thorsen, «aber nicht überragend. Allerdings … Bernhardt hat auch so seine Probleme. Daß man ihm die Mittel zusammengestrichen hat, macht sich doch bemerkbar. Deswegen bin ich hier.»
    «Soso?»
    «Haben Sie von dem Mord gehört, vor einem Monat? An Victor Maitland? Dem Maler?»
    «Selbstverständlich. Unten in Little Italy. Habe ich verfolgt. Allerdings war schon nach wenigen Tagen nichts mehr darüber in den Zeitungen zu lesen.»
    «Damals gab's eine Menge andere Sensationen», sagte Thorsen. «Gott sei Dank! Außerdem hatten wir nichts vorzuweisen. Der Fall ist immer noch ungeklärt.»
    «Für mich sah das nach Raubmord aus», sagte Delaney. «Ein vollgepumpter Süchtiger bricht ein. Maitland setzt sich zur Wehr und kriegt ein Messer in den Rücken.»
    «Könnte sein», sagte Thorsen. «Ich kenne mich in den Einzelheiten nicht aus. In seinem Atelier war aber schon zweimal eingebrochen worden, und er hatte Sicherheitsriegel und Ketten anbringen lassen. Gewaltsam ist jedenfalls nicht eingedrungen worden. Wir meinen, er hat jemandem aufgemacht, den er kannte.»
    «So? Fehlte denn was?»
    «Nur eine Geldbörse. Aber viel Bargeld hatte er nie bei sich. Und seine Kreditkarten waren noch da. Außerdem stand ein teures Transistorgerät da, und das wurde nicht angerührt.»
    «Ach?» sagte Delaney. «Vorgetäuschter Raub? So was hat's auch früher schon gegeben. Wer erbt denn?»
    «Ein Testament gibt's nicht. Da werden eine Menge Anwälte einen Haufen Arbeit kriegen. Das Finanzamt hat alles versiegelt, denn der Bursche war schwerreich. Sein letztes Bild ist für hunderttausend weggegangen.»
    «Ich kenne seine Bilder», sagte Delaney. «Mir gefallen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher