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Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)

Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)

Titel: Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Autoren: Lisa Scott
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selben Bett geschlafen habt, obwohl es für euch beide eigentlich schon zu klein war?«
    »Klar.« Abby lächelte. Sie roch nach Zahnpasta. Nach Pfefferminz. »Das war lustig. Wir beide haben uns nur flüsternd unterhalten, damit du und Dad uns nicht hören konnte. Selbst Beef hat mit uns im Bett geschlafen. Meistens dann, wenn es draußen stürmte.« Sie streichelte Beefs Rücken. »Ich wette, auch Megan erinnert sich gern an die Zeit zurück.«
    »Das tut sie bestimmt.« Jill setzte sich zu Abby und streifte ihr das nasse Haar aus der Stirn. Dabei fiel ihr eine einzelne himmelblaue Strähne auf. »Brauchst du ein Handtuch für deine Haare?«
    »Nein, danke.« Abby hielt inne. »Kann ich dich was fragen, Jill? Was ist damals zwischen dir und Dad passiert? Ich kenne nur Dads Version. Warum habt ihr euch scheiden lassen?«
    »Lass uns heute Abend nicht darüber reden.« Jill spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog. Wenn sie Abby die Wahrheit sagte, würde William sehr schlecht dabei wegkommen. Und Kinder, die ihre Eltern nicht mehr mochten – das wusste sie aus ihrer Praxis –, mochten irgendwann auch sich selbst nicht mehr. »Vielleicht ein andermal.« Wieder strich sie Abbys Haar nach hinten. »Die sind ja blau.«
    »Ja.« Abby lächelte. »Gefällt es dir?«
    »Schon. Aber bitte nicht noch mehr Tattoos.« Jill tat besorgt. »Ich weiß, dass ich dir als Mom nichts mehr zu sagen habe, also fass es einfach nur als Bitte auf.«
    »Du wirst immer meine Mom bleiben, die mir etwas zu sagen hat.« Abby umarmte sie.
    »Das mit deinem Dad – das hätte nicht passieren dürfen.«
    »Er sah so furchtbar aus, wie er dalag. Ich habe ihn gefunden.«
    »O nein.« Das hatte Jill nicht gewusst.
    »Als ich nach Hause gekommen bin, war es so still. Nur Pickles hat miaut, was er sonst nicht tut. Ich bin nach oben gegangen, und da lag er im Bett. Der Fernseher lief noch, sein Gesicht war ganz schlaff.«
    Für ein Mädchen in Abbys Alter musste ein solcher Anblick schwer zu verdauen sein. Jill hatte während ihres Medizinstudiums Leichen seziert und Monate gebraucht, um die Bilder zu vergessen. Manche verfolgten sie bis heute.
    »Sein Mund stand offen, er hing einfach herunter.« Abby bekam einen Schluckauf. »Seine Augen waren offen … starr, wie erfroren … Sie sahen ins Nichts.«
    Als Ärztin kannte Jill den leeren Blick der Toten aus dem Krankenhaus nur allzu gut. Aber wenn diese Augen zu jemandem gehörten, den man geliebt hatte … Doch auch das war Jill nicht unbekannt. Damals kam sie aus dem Anatomie-Unterricht, in dem sie einen Trigeminusnerv in einer Wange sezieren musste, nach Hause und fand dort einen Toten vor, dessen Wangen sie so oft geküsst, den sie geliebt hatte.
    »Ich habe nach ihm gerufen … Ich habe mich direkt vor ihn gesetzt, damit er mich sehen kann … Aber er konnte nichts mehr sehen.«
    Jill hatte damals Gray, ihren ersten Ehemann, gefunden. Auf dem Küchenboden. Sie versuchte ihn zu reanimieren, massierte sein Herz, aber er war tot, gestorben an einem Gehirn-Aneurysma. Eine Woche später sollte sie erfahren, dass sie mit Megan schwanger war.
    »Ich habe ihn aufgesetzt und gehalten … Sein Mund stand offen … und sein Kopf fiel nach hinten, als wäre sein Hals aus Gummi … Als hätte er nie einen Halsknochen gehabt.«
    Jill kamen die Tränen, ihre Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Der Schock, den sie erlitten hatte, als sie damals Grays Leiche fand, all die Schmerzen, die sein Tod in ihr ausgelöst hatte, alles war plötzlich wieder da. Während Abby William, ihren zweiten Ehemann, betrauerte, betrauerte sie ihren ersten. Sie fühlte sich schrecklich dabei, konnte aber nichts dagegen tun.
    »Bitte, Jill … Hilf mir, den Mörder zu finden … Allein schaffe ich das nicht.«
    »Nicht jetzt, mein Schatz.«
    »Aber denk darüber nach, ja? … Bitte.«
    »Das werde ich. Aber jetzt komm erst mal zur Ruhe.« Jill hielt Abby im Arm, bis sie aufhörte zu weinen und einschlief. Dann stand sie vom Bett auf, deckte Abby zu, machte das Licht aus – und verschwand in der Dunkelheit.

4
    Ihr Laptop lag auf einem Kissen, das wiederum auf ihrem Schoß ruhte. Jill hatte sich im Bett einen improvisierten Schreibtisch gebaut, um E-Mails ihrer Patienten zu beantworten. Sam lag mit dem Rücken zu ihr und schlief, Beef schlummerte zu seinen Füßen. Im Zimmer war es still, nur Mann und Tier schnarchten. Auch Jill war hundemüde, konnte aber keinen Schlaf finden. Wie viele Tropfen soll ich meinem Sohn geben, wenn
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