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Die zweite Stufe der Einsamkeit

Die zweite Stufe der Einsamkeit

Titel: Die zweite Stufe der Einsamkeit
Autoren: George R. R. Martin
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bekommen und billiger. Die Geister waren es, weshalb sie gekommen sind. Sanders ist auch schon lange fort. Er war zu starrsinnig und zu unpraktisch, um sich, als er die Chance dazu hatte, in eine der Nebelwein-Unternehmungen einzukaufen. So ist er bis zum Ende hinter seinen Schutzwällen im Wolkenschloß geblieben. Ich weiß nicht, was danach mit ihm passiert ist, als das Hotel schließlich schließen mußte.
    Das Schloß selbst ist noch da. Ich habe es vor ein paar Jahren gesehen, als ich unterwegs zu einer Story für einen Tag auf Neue Zuflucht haltgemacht habe. Es verfällt jedoch bereits. Für den Unterhalt zu teuer. In ein paar Jahren wird man es von den anderen, älteren Ruinen nicht mehr unterscheiden können.
    Ansonsten hat sich der Planet nicht viel verändert. Die Nebel steigen noch immer bei Sonnenuntergang, und sie fallen bei Tagesanbruch. Der Rote Geist ist noch immer öde und schön im frühen Morgenlicht. Die Wälder sind noch da, und die Felskatzen schleichen ebenfalls noch herum.
    Nur die Geister fehlen.
    Nur die Geister.
     
    Bayonne, New Jersey
    Juni 1971
     

 
Die zweite Stufe der Einsamkeit
THE SECOND KIND OF LONELINESS
     
    18. Juni
    Meine Ablösung hat heute die Erde verlassen.
    Es wird mindestens drei Monate dauern, bis er hier ankommt; natürlich. Aber er ist unterwegs.
    Heute hat er vom Kap abgehoben, genau wie ich damals, vor vier langen Jahren. Draußen, auf der Komarov-Station, wird er auf eine Mondfähre umsteigen, dann im Orbit um Luna wieder umsteigen, in der Tiefraum-Station. Dort wird seine Reise wirklich beginnen. Bis dahin war er noch immer in seinem eigenen Hinterhof.
    Erst wenn die Charon von der Tiefraum-Station ablegt und in die Nacht aufbricht, wird er es fühlen, wirklich fühlen, so wie ich es vor vier Jahren gefühlt habe. Erst wenn Erde und Luna hinter ihm verschwinden, wird es ihn treffen. Er hat natürlich von Anfang an gewußt, daß es keine Umkehr gibt. Aber es ist ein Unterschied, ob man es weiß oder fühlt. Jetzt wird er es fühlen.
    Es wird einen orbitalen Zwischenaufenthalt über Mars geben, um Vorräte nach Burroughs City hinunterzuschicken. Und weitere Aufenthalte im Gürtel. Aber dann wird die Charon beschleunigen. Sie wird sehr schnell sein, wenn sie den Jupiter erreicht. Und viel schneller, wenn sie an ihm vorbeipeitscht, die Schwerkraft des riesigen Planeten wie ein Katapult benutzt, um ihre Beschleunigung hochzutreiben.
    Danach gibt es keine Aufenthalte mehr für die Charon. Überhaupt keine Aufenthalte, bis sie mich hier draußen am Cerberus Sternenring, sechs Millionen Meilen jenseits der Plutobahn, erreichen.
    Mein Nachfolger wird viel Zeit zum Grübeln haben. Wie ich damals.
    Ich grüble auch jetzt noch, heute, vier Jahre später. Aber andererseits gibt es hier draußen nicht viel zu tun. Ringschiffe kommen ziemlich selten, und nach einer Weile wird man der Filme und Bänder und Bücher ziemlich überdrüssig. Also grübelt man. Man denkt über seine Vergangenheit nach und träumt von seiner Zukunft. Und man versucht, die Einsamkeit und die Langeweile davon abzuhalten, einen aus dem eigenen Schädel zu vertreiben.
    Es waren vier lange Jahre. Aber jetzt sind sie fast vorbei. Und es wird schön sein zurückzukehren. Ich möchte wieder auf Gras gehen und Wolken sehen und ein Eiskrem-Sundae essen.
    Aber trotz alldem: Ich bedauere nicht, hierhergekommen zu sein. Diese vier Jahre allein in der Dunkelheit haben mir gutgetan, glaube ich. Es ist nicht so, daß ich viel zurückgelassen hätte. Meine Tage auf der Erde erscheinen mir jetzt weit weg, aber wenn ich es versuche, kann ich mich noch daran erinnern. Die Erinnerungen sind gar nicht so angenehm. Ich war damals wohl ziemlich kaputt.
    Ich habe Zeit zum Nachdenken gebraucht, und das ist etwas, was man hier draußen bekommt. Der Mann, der an Bord der Charon zurückreist, wird nicht derselbe sein, der vor vier Jahren hier herauskam. Ich werde auf der Erde ein ganz neues Leben anfangen. Ich weiß, daß ich das tun werde.
     
    20. Juni
    Ein Schiff heute.
    Ich wußte natürlich nicht, daß es kommen würde. Ich weiß es nie. Die Ringschiffe kommen unregelmäßig, und die Art von Energien, mit denen ich hier draußen spiele, verwandeln Funksignale in knatterndes Chaos. Als sich das Schiff endlich durch die Statik gepreßt hatte, hatten es die Ortungsgeräte der Station bereits registriert und mir gemeldet.
    Es war eindeutig ein Ringschiff. Viel größer als die Rosteimer der alten Modellserie, zu der auch die
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