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Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Titel: Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
Autoren: Frank W. Haubold
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wä hrend er mühsam um Fassung rang. Sein Gelächter endete schließlich in einem Hustenanfall, der ihm beinahe den Atem nahm, bevor er abebbte. Betreten wischte sich Benedict die Tränen aus dem Gesicht und wich dem Blick des Besuchers aus, der seinen Ausbruch mit ruhigem Interesse beobachtet hatte.
    »Tut mir leid«, murmelte Benedict verlegen. » Aber das ist schon eine etwas ... ungewöhnliche Situation.«
    »Zweifellos.«  Der Junge zuckte mit den Schu ltern. »Aber jetzt sollten wir uns nicht länger aufhalten. Das Zeitfenster für den vereinbarten Besuch ist relativ schmal.«
    Benedict nickte und beeilte sich, dem Besucher zu folgen, der bereits losmarschiert war.
    »Warum eigentlich die Kapelle?«, fragte er nach einer Weile, ohne seinen Begleiter anzusehen.
    »Das hat weniger religiöse als praktische Grü nde«, erwiderte der Junge. »Es ist ein abgelegener Ort, an dem kaum Störungen zu erwarten sind. Die Transfertechnik ist relativ aufwendig.«
    Was für ein Transfer? dachte Benedict verunsichert, fragte aber nicht weiter nach. Dennoch wuchsen seine Zweifel. Wenn das Verfahren technisch derart aufwendig war, wie sollte es dann bei ein paar Milliarden Menschen funktionieren?
    »Normalerweise müssen nur die Erinnerungen ve rvollständigt werden, bevor die jeweilige Kopie aktiviert wird«, erklärte der Besucher, als hätte Benedict die Frage laut gestellt. »Ein kompletter Bewusstseinstransfer ist wesentlich aufwendiger. Schließlich handelt es sich nicht um eine Simulation, auch wenn du den Unterschied kaum bemerken wirst.«
    »Und was ist mit dem Interface?« Benedict tast ete nach dem Päckchen mit dem Gerät, das er vorsichtshalber eingesteckt hatte.
    »Mach dir darum keine Gedanken.« Der Junge l ächelte. »Du bist unser Gast. Also kümmern wir uns auch um alles Notwendige.«
    Sie hatten das bewaldete Areal hinter sich gela ssen, und der Weg wurde schmaler und steiler. Die Sonne brannte vom Himmel herab, und Benedict registrierte verblüfft, dass die Gestalt des Besuchers tatsächlich einen Schatten warf. Die Projektion war in jeglicher Hinsicht perfekt – falls es überhaupt eine war und nicht etwas, das nur er allein sehen konnte...
    Er schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich darauf, ruhig und regelmäßig zu atmen, wä hrend sie den gewundenen steinigen Pfad aufwärts stiegen. Es war jetzt nicht mehr weit, auch wenn sich ihr Ziel noch hinter den Felswänden des Gipfelmassivs verbarg. Pater Benedict begann zu beten, lautlos und ohne die Lippen zu bewegen. Der Fluss der vertrauten Worte beruhigte ihn ein wenig und drängte seine Ängste in den Hintergrund.
    Schneller als erwartet erreichten sie den Einstieg in das Felsmassiv und traten in den Schatten des Durchgangs ein. Der Junge ging voran, als wäre ihm der Weg zur Kapelle von jeher vertraut, und Ben edict hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
    Als sie den Felsspalt passiert hatten und hinaus ins Freie traten, schloss er einen Augenblick lang g eblendet die Augen. Die Sonne stand mittlerweile fast senkrecht und tauchte die Szene in eine verschwenderische Lichtfülle.  Die Felsen ringsum leuchteten in warmen Ockertönen, aber noch heller strahlten die bunten Farben der winzigen Kapelle, die sich wie ein Relikt aus einer anderen Welt auf einem schmalen Felsvorsprung erhob.
    Doch es war natürlich nicht das Original, wie Ben edict wusste, sondern ein detailgetreuer Nachbau der historischen Portiuncula , die wie die gesamte Stadt Assisi von Shariatstruppen niedergebrannt worden war.
    »Ein symbolträchtiger Ort«, sagte der Junge und schirmte seine Augen mit der Handfläche ab, als müsse er sie tatsächlich vor der Sonne schützen. »Hier begegnen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – vielleicht .«
    Benedict ging nicht darauf ein, obwohl er wusste, worauf der Besucher anspielte. Er mochte sich keine Zukunft vorstellen, die auf einer Blasphemie basie rte. Wie auch immer das Jenseits der KIs aussah, es war nicht Sein Reich.
    »Du hast Angst, nicht wahr?«, sagte der Junge wie beiläufig, als sie den künstlich angelegten Weg zur Kapelle betraten.  Es klang nicht wie eine Frage. Benedict dachte darüber nach und schüttelte dann den Kopf.
    »Nein, ich denke nicht, dass es gefährlich ist.«
    Das war zwar nur die halbe Wahrheit, nahm dem Besucher aber hoffentlich den Wind aus dem S egeln. Seine Gemütslage ging die Maschinen nichts an ...
    Der Junge erwiderte nichts, sah nur kurz zu ihm hoch, und so marschierten sie schweigend
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