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Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)

Titel: Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
Autoren: Frank W. Haubold
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...
     
    Drei Tage marschierte Pater Theodorus, Provinz ial der südöstlichen Territorien, eiligen Schrittes über den Innenhof in Richtung der Unterkünfte, um seinem Schützling einen Besuch abzustatten. Er entsprach damit auch einer Bitte des Abtes, der ernsthaft besorgt schien. Der Zustand des jungen Paters, der seit seiner Rückkehr seltsam in sich gekehrt, ja beinahe geistabwesend wirkte, hatte sich bislang kaum verändert.
    Sie hatten ihm Zeit gegeben, natürlich, schließlich wusste niemand, was er dort gesehen und erlebt hatte. Dennoch hatten sie natürlich darauf gehofft, dass er sich über kurz oder lang so weit erholt hatte, dass er ihnen Bericht erstatten konnte. Doch ihre Erwartungen waren bislang enttäuscht worden.
    Es schien sogar, dass sich Bruder Benedict inne rlich immer weiter von ihnen entfernte. Dabei verletzte er keinerlei Regeln, erschien pünktlich zu allen offiziellen Terminen und den gemeinsamen Mahlzeiten, vermied aber jeden persönlichen Kontakt.
    Natürlich hätte er Bruder Benedict als dessen d irekter Vorgesetzter auch zu sich bitten können, aber das wollte Theodorus nach Möglichkeit vermeiden. Eine offizielle Vorladung würde den jungen Pater nur vor den Kopf stoßen und die Kluft vergrößern, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte.
    Immer noch ein wenig außer Atem vom schnellen Gehen klopfte Theodorus an die Tür seines Schut zbefohlenen, der offenbar beschäftigt war, denn es dauerte geraume Zeit, bis er endlich öffnete. Bruder Benedict schien überrascht zu sein und eine Spur verlegen. Offenbar hatte er sein Habit in größter Eile übergezogen, denn es saß nicht korrekt und er war außerdem barfuss. Vielleicht hatte Theodorus ihn bei der Körperpflege gestört. Der Provinzial entschuldigte sich und bot an, später wiederzukommen, aber der junge Mann schien sich inzwischen gefasst zu haben.
    »Nein, ich bin gleich soweit, Vater Theodorus«, erwiderte er höflich, »nur noch einen Moment bitte ...« Damit verschwand er noch einmal kurz hinter der Tür, war aber sofort wieder zurück. Diesmal trug er Sandalen. Mit einer weiteren Entschuldigung, die Unordnung betreffend, gab der Jüngere schließlich die Tür frei.
    Abgesehen von einer Handvoll Bücher und einem aufgeschlagenen Notizblock auf dem Schreibtisch war in dem spartanisch eingerichteten Raum allerdings keinerlei Unordnung zu bemerken.
    »Ich will ganz offen sein, Bruder Benedict«, b egann Theodorus, nachdem beide Platz genommen hatten. »Dein Verhalten bereitet uns Sorgen. Eine Gemeinschaft wie die unsere beruht auf Vertrauen und Offenheit. Wir wissen nicht, was dir dort widerfahren ist, aber wir können dir nur helfen, wenn du bereit bist, mit uns zu sprechen. Leider hast du dich bislang nicht dazu durchringen können, wofür es sicherlich gute Gründe gibt. Nur hat es zumindest für mich den Anschein, als sei die Last zu schwer für dich.«
    »Es tut mir leid, dass ich die Geduld meiner Br üder und der Oberen über Gebühr beanspruche«, erwiderte Benedict zögernd. »Ich hätte mir dennoch etwas mehr Zeit gewünscht, um mit mir selbst ins Reine zu kommen – falls das überhaupt möglich ist ...«
    Theodorus, der ein aufmerksamer Beobachter war, sah, dass zu Füßen des Paters etwas Dunkles zu B oden getropft war. Blut?
    »Dafür haben wir durchaus Verständnis«, erw iderte der Obere mit einem nachsichtigen Lächeln. »Nur sehen wir im Moment keine Anzeichen für eine Entwicklung in diesem Sinne. Es scheint vielmehr, als ob du dich statt dessen noch weiter zurückziehst.«
    Aus Sicht des Provinzials war das noch eine sehr vorsichtige Formulierung im Hinblick auf den G emütszustand des Paters, der – wenn Theodorus die Zeichen richtig deutete – mittlerweile sogar zu blutigen Selbstkasteiungen führte.
    »Du brauchst dringend Hilfe«, hakte er nach und sah, wie sich die Miene des Paters verdüsterte.
    »Ihr habt recht, Vater«, sagte der mit belegter Stimme und räusperte sich. »Aber die Kraft, die ich brauche, kann ich nur im Gebet finden. Es ist nicht mangelndes Vertrauen, das mich daran hindert, zu berichten und euren Rat zu suchen. Aber wie sollte ich etwas beschreiben, für das es keine Worte gibt? Ihr habt mich an einen Ort geschickt, von dem man nicht zurückkehren sollte. Es ist dunkel, Vater, aber die Dunkelheit ist nicht irgendwo draußen, sondern in mir. Habt Erbarmen und lasst mich allein ...«
    Darauf gab es nichts zu sagen, jedenfalls nichts, das nicht unpassend oder falsch geklungen hätte,
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