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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht
Autoren: Ann Aguirre
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zurück ins Esszimmer und sagte ohne Vorrede zu den Tuttles: » Ich muss meine Arzttasche packen.«
    Â» Ist jemand krank geworden?«, fragte Doc.
    Ich überließ Tegan das Reden. Schließlich stand Mr. Tuttle auf und holte eine Ersatztasche mit Nadel, Faden, Verbandszeug, Salben und anderen Dingen, deren Verwendung ich nicht kannte.
    Â» Bist du dir auch sicher?«, fragte ich und überlegte, ob sie wirklich begriff, welcher Gefahr sie sich aussetzte.
    Â» Absolut. Du hast mir das Leben gerettet, und das mehr als einmal. Es ist Zeit, dass ich mich revanchiere.«
    Â» Aber ich dachte, du genießt dein Leben hier.« Seit ich sie kannte, hatte Tegan sich nach Schutz und Sicherheit gesehnt, und es überraschte mich, dass sie das alles nun so einfach aufgeben wollte.
    Â» Hier ist mein Zuhause«, erwiderte sie, » und ich werde meinen Beitrag leisten, um es zu beschützen. Außerdem schulde ich dir was…« Sie zuckte die Achseln. » Ich muss es einfach tun.«
    Ich war zutiefst beeindruckt und sagte ihr, sie solle zum Haus der Bigwaters kommen, sobald sie bereit war. Dann ging ich los, hüpfte beinahe, so erleichtert war ich. Ich mochte kein normales Mädchen sein, aber ich hatte die besten Freunde, die man nur haben konnte, also musste etwas an mir dran sein. Andernfalls würden sie kaum ihr Leben für mich riskieren. Blieb nur noch eines zu tun.
    Bleich .
    Er war so sehr mit seinen eigenen Wunden beschäftigt, vielleicht war es ihm egal, dass ich ging, aber schon allein aus Respekt vor dem, was zwischen uns gewesen war, musste ich mich von ihm verabschieden. Wie ich erwartet hatte, lag Draufgängers Haus in vollkommener Dunkelheit. Keine Kerzen, keine Laterne. Trotzdem musste Bleich hier sein, denn er blieb nie länger als Edmund in der Werkstatt. Ich nahm all meinen Mut zusammen, ging die kleine Treppe hinauf und klopfte an die Tür. Eine ganze Weile passierte gar nichts, bis ich drinnen endlich Bewegung hörte.
    Bleich zog die Tür einen Spaltbreit auf, sein Gesicht lag im Schatten. » Hast du was vergessen?«
    Â» Nur das hier…« Ich küsste ihn auf die Wange, und er fuhr zusammen, als hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben.
    Ich hatte nicht geglaubt, dass es so schlimm sein könnte. Nicht einmal ich durfte ihn mehr berühren. Mittlerweile schien er jeden körperlichen Kontakt als Bedrohung aufzufassen. Es war, als würde ihm selbst ein Streicheln Schmerzen bereiten. Unsägliche Trauer überfiel mich, als ich daran dachte, was wir verloren hatten. Ich hatte geglaubt, er bräuchte nur etwas Zeit, aber seine Wunden reichten viel, viel tiefer, als ich es je für möglich gehalten hatte. Er ist viel weicher als du und ich. Irgendwann wirst du ihn zerbrechen , hörte ich Pirschers Stimme in meinem Kopf.
    Mag sein, dachte ich. Aber vielleicht kann ich ihn auch retten.
    Doch offensichtlich war es dafür noch zu früh. Er hatte genug gelitten. Ich konnte ihn unmöglich bitten, noch mehr für mich zu erdulden. Das bisschen Frieden, das Erlösung ihm im Moment geben konnte, hatte er mehr als verdient.
    Â» Auf Wiedersehen, Bleich.«
    Ich brachte es nicht über mich, die letzten Ereignisse noch einmal zu erzählen. Edmund würde es ihm erklären, falls Bleich weiterhin mit ihm zusammenarbeitete. Zumindest ein Stück weit erleichtert lief ich die Treppe hinunter, weg von hier, weg von Bleich, hinein in eine ungewisse Zukunft.
    Â» Wahrscheinlich habe ich es verdient«, murmelte er.
    Ich blieb stehen, drehte mich aber nicht um. » Was verdient?«
    Â» Dass du mir nicht mehr vertraust, mich nicht bittest mitzukommen.« Die Worte schwelten vor unterdrücktem Schmerz und Selbsthass, als hätte er das Gefühl, mich im Stich gelassen zu haben. » Aber vielleicht glaubst du ja auch, ich bin zu schwach, um dir helfen zu können.«
    Also wusste er bereits davon. Ich fragte nicht, wie er es erfahren hatte. Gerüchte verbreiteten sich schnell in Erlösung, als würde der Wind sie weitertragen.
    Â» Glaube ich nicht«, widersprach ich.
    Aber du, Bleich.
    Â» Wir sind doch immer noch Partner, oder?«, sagte er mit verzweifelter Hoffnung in der Stimme.
    Es tat entsetzlich weh, dass er überhaupt fragte. Dies war das zweite Mal, dass Bleich sich nach einer Verwundung von mir zurückzog– als hätte ich nicht die Kraft, ihm zu helfen, als könnte ich ihm keine Sicherheit
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