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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Tastsinns an der Wand entlang einen Weg suchte.
    Der Kutscher stoppte an der Stelle, wo Sir Henry lag.
    »Sir Henry ist tot«, bestätigte Giles. Seine Stimme klang hohl in der Kammer. »Er muss in der Nacht verschieden sein.« Er hielt inne. »Sollten wir etwas für ihn tun?«
    »Das werden wir«, antwortete Kit nach einem Augenblick. »Sobald es hell wird.«
    Er schloss die Augen, doch Schlaf war das Letzte, woran er denken konnte. Wie im Namen von allem, was heilig ist, fragte er sich, konnte ich nur so dumm gewesen sein? Wie hatte er sich nur in solch einem leichtsinnigen und schlecht durchdachten Plan verheddern können? Wie hatte er nur so unglaublich unvorbereitet hierherkommen können, um irgendjemanden zu retten? Retten! Schon das Wort allein war reiner Hohn. Die ganze Sache war eine absolute und totale Katastrophe: Cosimo und Sir Henry waren tot, er selbst und Giles gefangen, und Lady Fayth hatte sich mit dem Feind verbündet. Gut gemacht, Kit. Steck dir eine Medaille an die Brust, du verdammtes Genie.
    Er war ein Fremder in einem fremden Land: verloren im Kosmos; ein Mann, der weder einen Kompass noch einen Führer hatte. Umgeben von Toten, saß er in einem Grab in Ägypten, zusammen mit Giles - einem Mann, der zwar in Kits Alter war, doch von ihm getrennt durch Klassenzugehörigkeit, Empfindungsvermögen und vierhundert Jahre Zeit. Und dieser Mann erhoffte von ihm Antworten. Aber Kit hatte keine: nur Fragen. Und die wichtigste davon lautete: Wie hatte er nur so dumm sein können?
    Die innerlichen Anklagen und Beschuldigungen waren wie kochendes Wasser auf seine Psyche und Feuer auf seine Seele. Die Schande - die Schmach eines so gewaltigen Versagens - lastete mit beinahe unerträglicher Schwere auf seinem Herzen. Trotz größter Anstrengungen, sie zurückzuhalten, flossen heiße Tränen der Scham aus seinen Augen und rollten die Wangen herab, als Kit in einen Zustand tiefsten Elends fiel. Dieser Misserfolg war einzig und allein seine Schuld, und nun würde er den Preis dafür bezahlen. Tragischerweise hatte er andere in seinen unausgereiften Plan hineingezogen, und jetzt würden auch sie dafür bezahlen: Giles mit seinem Leben und Lady Fayth mit ihrer Ehre, was auch immer davon übrig geblieben sein mochte.
    Und da war noch eine andere Sache: Er hatte ihr vertraut und dadurch zugelassen, von ihr manipuliert zu werden. Die Einsicht, dass er jenem hübschen Gesicht auf den Leim gegangen war, machte die Schmach komplett.
    Diese unglücklichen Gedanken beschäftigten Kit während des Rests der Nacht. Schließlich schwand die Dunkelheit der Grabkammer mit der Dämmerung des neuen Tages. Sobald er die Umrisse des steinernen Sarkophags zu erkennen vermochte, schlich Kit zu ihm und kniete sich neben ihm nieder.
    »Es tut mir leid, Cosimo«, flüsterte er und stählte sich, um einen Blick auf den kalten, steifen Leichnam seines Urgroßvaters zu werfen. »Ich habe dich enttäuscht ... jeden enttäuscht. Das tut mir so leid.« Er zwang sich dazu, in das bleiche, leblose Gesicht zu schauen, und brannte es in sein Gedächtnis ein. Es lag eine Friedlichkeit in den Gesichtszügen des Toten, die Kit überraschte. Doch es war klar: Das, was er im Sarkophag sah, stellte bloß die Hülle des Mannes dar, der einst existiert hatte. Cosimo war nicht mehr da. »Falls ich jemals die Chance bekomme, die Dinge in Ordnung zu bringen, werde ich sie nutzen. Ich verspreche es dir: Ich werde es tun.«
    Er hat all seine Hoffnung in Euch gesetzt ... Das waren die letzten Worte, die Sir Henry zu ihm, Kit, gesagt hatte. Sein eigener Vater und Großvater, jeder auf seine eigene Weise, hatten sich als unzureichend erwiesen. Nun war Kit an der Reihe. Aber war er besser geeignet als sie?
    Schwache Regungen von Entschlossenheit ließen sein Herz schneller schlagen. Zuerst mussten sie hier herauskommen. Kit begann, die Kammer der Länge nach zu durchschreiten - mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Fingern durchsiebte er die Luft in der Hoffnung, das verräterische Prickeln eines Ley-Felds zu spüren. Er fühlte nichts, doch er gab noch nicht auf. Er versuchte es mit Springen - immer wieder an verschiedenen Stellen im Grab. Vergebens. Nicht, dass er irgendetwas erwartet hatte, das geschehen würde. Denn wenn ein Ley-Portal oder Drehkreuz im Grabmal gewesen wäre, dann hätte Cosimo es gefunden.
    Kit gab schließlich seine Versuche auf und ging zu Giles, der bei Sir Henry saß. Er kniete sich neben den Körper, der ausgestreckt auf dem Boden
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