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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon
Autoren: Spider Robinson
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drängen.«
    Die klassische Aufgabe der Dichtung besteht darin, eine Gestalt oder mehrere Gestalten zu schaffen, der oder denen sie ein Problem oder mehrere Probleme zu lösen gibt, und dann zu zeigen, wie diese Gestalten um eine Lösung oder mehrere Lösungen ringen. Wenn die Dichtung das nicht tut, werden nur verhältnismäßig wenig Leute dafür Geld auf den Tisch legen. (Wenn Sie wollen, schimpfen Sie über »archaische Gesetze, die die freie Kreativität ersticken«: so funktionieren Leser eben, und wir sind für sie da.) Wenn die angebotene Lösung kein moralisches Prinzip enthält (sehr schwierig zu erzielen), dann liegt eben ein Kochbuch oder ein Handbuch für Raumschiffreparaturen für den vollkommenen Idioten vor. Wenn keine optimale Lösung angeboten wird, wenn das Problem nicht gelöst wird, dann gibt es drei Möglichkeiten: entweder vertritt der Schriftsteller das moralische Prinzip, daß es für bestimmte Probleme keine optimale Lösung gibt (z. B. »SOLUTION UNSATISFACTORY« von R.A.H.), oder der Autor möchte, daß jemand anderer eine Lösung für das Problem findet, weil es ihm nicht gelingt, oder der Autor hat Ihnen einfach eine Reihe von geistlosen, deprimierenden Anekdoten erzählt, hat lange herumgeredet, ohne etwas zu sagen (z. B. der größte Teil der modernen Mainstream-Literatur). Vielleicht ist es eine Fähigkeit, um die man einen Politiker beneiden könnte, aber ist sie tatsächlich eine Voraussetzung für gute Prosa?
    Sondern Sie alle angeführten Fälle aus, und Sie erhalten die Mehrheit aller je geschriebenen Prosa und die überwältigende Mehrheit der guten Prosa.
    Eine der merkwürdigen menschlichen Eigenschaften besteht jedoch darin, daß wir zwar von unserer Prosa Lösungen für moralische Konfliktsituationen erwarten, es aber nicht zugeben wollen. Unsere Schriftsteller sollen die Frage »Was ist moralisches Verhalten?« beantworten, aber es wäre uns lieber, wenn wir sie nicht dabei erwischen, wie sie uns die Antwort unterschieben. Wenn wir die Pille schlucken sollen, muß sie einen dicken Zuckerguß haben. (Ich mache die Menschen nicht schlecht. Ich bin ja selbst einer. Daß man nackte Affen überhaupt zu moralischen Überlegungen veranlassen kann, ist ein Wunder. Die Literatur ist der Widerpart zu autoritären Regierungssystemen und zu den meisten organisierten Religionen – die moralische Überlegungen durch Gesetze ersetzen wollen – und in diesem Fall sollten wir alle glücklich sein, wenn wir die Arme bis zu den Schultern in Zucker tauchen können.)
    Sobald ich meine Beweisführung darüber, daß »moralisierend« ein Kompliment für einen Schriftsteller ist, abgeschlossen habe, ziehen die Leute, die ihn angegriffen haben, ihre Behauptung meist zurück und sagen, daß sie etwas anderes gemeint haben, nämlich:
    8. »Heinlein benützt seine Werke, um uns zu predigen.«
    Hier kommen wir endlich zu etwas, das mehr als nur Schaumschlägerei ist. Wenn es stimmt, dann handelt es sich um eine echte, schwerwiegende literarische Beschuldigung.
    Robert Heinlein hat 1950 geschrieben:
    »Ein Science Fiction-Autor hat vielleicht, oder sogar oft, außer dem Gelderwerb noch andere Motivationen. Vielleicht möchte er ›Kunst um der Kunst willen‹ schaffen, vielleicht möchte er die Welt vor einem Kurs warnen, der auf eine Katastrophe zusteuert (Orwells »1984«, Huxleys »BRAVE NEW WORLD«, aber bitte vergessen Sie nicht, daß beide sehr unterhaltsam sind und daß beide Berge von Geld eingebracht haben), vielleicht möchte er die menschliche Rasse auf einen Weg führen, den er für erstrebenswert hält (Bellamys »LOOKING BACKWARDS«, Wells‘ »MEN LIKE GODS« , vielleicht möchte er belehren, erheben oder gar blenden. Aber für den Science Fiction-Autor – für jeden Schriftsteller – muß Unterhaltung das Hauptanliegen sein ... oder er landet wieder beim alten Baumwollsack.«
    Die Veränderung besteht darin, daß Robert Heinlein in seinen letzten Werken die Predigten höherstellt als die Unterhaltung, daß er, wie Theodore Sturgeon einmal über H. G. Wells’ Spätwerke bemerkt hat, »sein Erstgeburtsrecht für einen Topf mit Botschaften verkauft hat«. Als Beweis dafür führt die Anklage »I WILL FEAR NO EVIL« und »TIME ENOUGH FOR LOVE« an.
    Niemand hört gern Predigten, nicht wahr? Das heißt, niemand hört gern Predigten von einem Kerl, der nicht mehr weiß als er selbst. Doch gute Menschen, verantwortungsbewußte Menschen, aufgeschlossene Bürger wollen doch bestimmt
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