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Die Zauberlehrlinge

Die Zauberlehrlinge

Titel: Die Zauberlehrlinge
Autoren: Robert Goddard
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zur Sammlung antiker Sodasiphons des Pub-Besitzers hochstieg und konzentrierte sich auf eine Frage, deren Antwort er nur zu gern gekannt hätte. War Athene Tilson eine Lügnerin oder eine Verrückte - oder genau das, was sie zu sein behauptete?
    Wahnsinn wäre ihm am liebsten gewesen. Alter, Einsamkeit und Vernachlässigung hätten sie so begierig auf Ruhm und Anerkennung machen können, dass sie sich ein bizarres Geständnis ausgedacht hatte, das zu den unleugbar bizarren Fakten passte. Es war nicht sicher, ob sie die Notizbücher überhaupt gestohlen hatte. Harry hatte nichts als ihr Wort, dass David die Notizbücher nicht zur sicheren Aufbewahrung bei ihr gelassen hatte, was er sehr wohl hätte tun können, wenn er an Selbstmord dachte. Falls das so war, dann enthielten sie wohl kaum irgendwelche erstaunlichen hyperdimensionalen Entdeckungen. Nicht, dass Harry das hätte feststellen können, doch andere konnten es. Und das wusste Athene sehr genau. Trotzdem hatte sie ihn damit fortgehen lassen. Wahrscheinlich aus dem einfachen Grund, dass sie keine Möglichkeit hatte, ihn aufzuhalten.
    Diese offenkundige Ohnmacht, die der mitreißenden Vitalität ihrer Worte widersprach, hatte Harry in seiner Drohung, zur Polizei zu gehen, schwanken gemacht. Womit würde er denn hingehen? Die unfertigen mathematischen Kritzeleien seines Sohnes aus den vergangenen Jahren würden die Polizei kaum veranlassen, mit Handschellen nach Avocet House zu eilen.
    Doch was, wenn diese Kritzeleien nicht unfertig waren? Was, wenn David wirklich in einer Reihe mit Euklid, Newton und Einstein stand? Was, wenn die Notizbücher, die Harry vor sich hatte, bewiesen, dass sein Sohn ein bahnbrechender mathematischer Denker war? Am Ende lief alles auf eins hinaus: Was enthielten sie, Gold oder Staub? Etwas oder nichts? Harry fuhr mit den Fingern über die stoffgebundenen Rücken. Alles andere hing davon ab.
    Er würde sie zu Donna bringen. Ja, das war die Antwort. Donna konnte beurteilen, ob sie nur Schatten oder Substanz enthielten. Sie würde wissen, ob sie wirklich bedeutend waren. Er zog das Gummiband ab und nahm das oberste Notizbuch zur Hand, da er annahm, es werde das jüngste sein, das, in dem David entweder eine Apotheose oder die auswegloseste aller Sackgassen erreicht hatte. Er hob sein Bier auf die ambivalente Erinnerung an den Jungen und öffnete das Heft. Eine leere Seite, dann noch eine, und wieder eine. Und noch eine. Sie waren alle leer, wie Harry mit wachsender Angst sah, als er das Heft durchblätterte. Jede einzelne Seite war leer. Es gab kein Wort, keine Zahl, keine Gleichung, keinen Hinweis, überhaupt nichts. Er nahm das nächste Heft vom Stapel, blätterte darin - es war genauso. Noch während er es zur Seite warf und das dritte aufnahm, kam ihm die Erkenntnis. Hier gab es nichts, hatte es nie etwas gegeben. Das waren nicht die Notizbücher. Athene hatte ihn überlistet.
    Mit leeren Händen eilte Harry auf die Straße hinaus und wandte sich dem Meer zu. Die Esplanade und die Straße, die sie mit South Green verband, waren der schnellste Weg zurück zum Avocet House. Im Laufen fragte er sich, warum Athene ihn getäuscht hatte. Welchen Sinn hatte das, wo ihr doch klar sein musste, dass er den Betrug entdecken würde, bevor er Southwold verließ? Was hoffte sie zu gewinnen -außer so wenig Zeit, dass sie ihr nichts nutzte?
    Er erreichte die Grünanlage; seine Lungen schmerzten, sein Herz raste. Als er innehielt, um zu Atem zu kommen, trieb ein beißender Geruch auf ihn zu. Etwas brannte. Dann hörte er ein fernes Prasseln wie von brennendem Holz. Er rannte weiter, sah die Spiegelung von Flammen in einer Fensterscheibe auf der anderen Straßenseite, als er sich Athenes Haus näherte. Dann erblickte er im Arbeitszimmer Feuer und Rauch. Der Raum stand in Flammen und brannte so lichterloh, dass er bald auch das restliche Haus anstecken würde, wenn nichts geschah. Was war passiert? Was hatte sie getan?
    Hinter ihm hielt ein Wagen am Straßenrand. Harry sah ein ängstliches Gesicht darin. »Rufen Sie die Feuerwehr!« brüllte er, riss das Tor auf und rannte durch den Garten zum Fenster des Arbeitszimmers. Drinnen loderten Flammen aus den Ecken, als habe der Brand gleichzeitig an verschiedenen Stellen begonnen. Athene saß noch genau da, wo er sie verlassen hatte, und starrte ausdruckslos auf die leere Tafel, an der Flammen empor züngelten wie Weinreben, deren Leben auf eine einzige Minute zusammengedrängt war.
    Harry hämmerte ans
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