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Die Zauberlehrlinge

Die Zauberlehrlinge

Titel: Die Zauberlehrlinge
Autoren: Robert Goddard
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Fenster und rief Athenes Namen. Langsam und mit dem Widerwillen einer Tagträumerin drehte sie sich um und sah ihn an. Auf ihrem Gesicht lag ein ruhiges, ironisches, erkennendes Lächeln, von den lodernden Flammen erhellt. Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber weiter. Es war eine Warnung, sich nicht einzumischen, verwoben mit einem sanften Lebewohl.
    In einem zerbrochenen Blumentopf zu Harrys Füßen steckte eine Kelle. Er packte sie und schlug damit gegen das Fenster, dann nochmals mit verstärkter Kraft. Das Glas splitterte, und er schlug die Scherben heraus. »Schnell!« schrie er, während die Vorhänge schon mit einem dumpfen Knall Feuer fingen und Hitze ihm in die Kehle drang. »Hierher!« Aber sie rührte sich nicht.
    Das Fenster war ein Sprossenfenster. Harry wurde klar, dass er es öffnen musste, wenn irgendjemand hinein- oder herausklettern sollte, und so zerschlug er eine weitere Scheibe neben dem Griff und fasste hinein, um ihn zu drehen. Doch er rührte sich nicht. Der Griff war mit einem Schloss versehen und abgesperrt, der Schlüssel war nirgends zu sehen. Sie hatte das absichtlich getan! Sie hatte das Ganze geplant. Verzweifelt schaute er zu ihr hinein. Da wandte sie sich ab, und er sah auf der Schreibunterlage vor ihr sechs in blauen Stoff gebundene Notizbücher.
    Harry wirbelte herum und rannte zur Seite des Hauses. Sie hatte die Notizbücher, die echten Notizbücher! Er wollte verdammt sein, wenn er dastand und zusah, wie sie sich selbst zusammen mit ihnen verbrannte. Die Tür des Wintergartens war vielleicht noch offen. Selbst wenn sie inzwischen wieder verschlossen war, waren die Scheiben zu groß, als dass Athene ihn mit Schlössern hätte aussperren können.
    Er erreichte die Rückfront des Hauses und drückte gegen die Tür. Sie gab nicht nach, Athene hatte sie abgeschlossen. Er lief zur Garage, packte die Mülltonne an den beiden Henkeln, stolperte hinüber zum größten Fenster des Wintergartens und rammte den Boden der Mülltonne in die Scheibe. Sie zerbrach in tausend Scherben. Harry kletterte durch die Öffnung, ignorierte den Schnitt in seiner Hand, als er sich am Rahmen festhielt, und stürmte zwischen den Korbstühlen und dem Tisch hindurch, wo er und Athene erst vor zehn kurzen Wochen Kaffee getrunken und einander auf so ungleiche Weise abgeschätzt hatten.
    Im Wohnraum war der Rauch schon ziemlich dicht, doch in der Halle war er geradezu wie erstickender Nebel, durchbrochen von einer wabernden Flammenlinie, die von einem blitzenden Lichtschalter neben der Tür zum Arbeitszimmer hinauf zur Decke und quer darüber führte. Harry rannte stolpernd vorwärts, den Arm vor sich ausgestreckt.
    Als er das Arbeitszimmer betrat, war ihm, als dringe er in einen Ofen ein. Das Bücherregal stand bereits ebenso in Flammen wie die trockenen Holzbalken. Das Feuer hatte die Täfelung unter dem Kaminsims verzehrt und brüllte im Kamin, Flammen leckten an den Beinen des Schreibtischs. Athene saß noch immer dahinter, reglos wie eine Schaufensterpuppe, die Notizbücher vor sich auf der Schreibunterlage. Harry stürzte auf sie zu, doch Hitze und Rauch hielten ihn auf. Hustend und blinzelnd wich er in die Diele. Die Haustür befand sich zu seiner Linken, durch sie hätte er schnell entkommen können. Doch er rannte durch die Diele zur Küche, entschlossen, nicht aufzugeben. Wenigstens die Notizbücher würde er retten. Athene konnte tun, was sie wollte aber nicht mit dem Eigentum seines Sohnes.
    Er riss ein Geschirrtuch vom Ständer neben dem Ausguss, hielt es unter den Wasserhahn, legte es sich über den Kopf und kehrte in die Diele zurück. Der Rauch war jetzt noch dichter, und er sah mehr als eine gezackte Flammenreihe auflodern. Er hielt sich ein Ende des Tuchs vor Nase und Mund, schloss die Augen, stürmte rücksichtslos voran und fand sich an der Tür des Arbeitszimmers wieder, als er die Augen öffnete.
    Als er eintrat, stürzte die obere Hälfte des Bücherregals, durch das Feuer in den unteren Fächern aus dem Gleichgewicht gebracht, um und verstreute Bücher auf dem Fußboden, wo Funken den Teppich zwischen ihm und dem Schreibtisch in Brand setzten. Rauch stieg aus den Trümmern des Regals, stach ihm in die Augen, versengte seine Ohren. Mit jedem Atemzug sog er mehr Qualm ein. Hustend und mit tränenden Augen sah er, wie Athenes Kleider Feuer fingen. Mit einem Auflodern hüllten die Flammen sie ein. Sie beugte sich vor, ihr ganzer rechter Arm brannte, und legte die Hand auf die Notizbücher
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