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Die zauberhafte Tierhandlung (05) - Lotte und der Phönix

Die zauberhafte Tierhandlung (05) - Lotte und der Phönix

Titel: Die zauberhafte Tierhandlung (05) - Lotte und der Phönix
Autoren: Holly Webb
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fragte er vielsagend, und Sofie knurrte empört.
    »So liebenswürdig wie stets, alter Feuervogel«, murmelte Lottes Vater und fuhr mit einer Hand zärtlich über Horaz’ weiches graues Federkleid.
    Alle anderen schnappten nach Luft. Horaz hatte ihm nicht die Finger abgebissen, und Lottes Vater schien zu wissen, wer Horaz war, auch wenn er ihn anders genannt hatte.
    »Du erkennst ihn also wieder?«, fragte Onkel Jack gespannt, während er beobachtete, wie Horaz seitwärts über den Tisch trippelte und vor Vergnügen leise in sich hinein gurrte, als sein alter Halter seine Federn streichelte.
    Lottes Vater blinzelte und guckte dann zu Horaz hinunter, als habe der ihn doch noch gebissen. »Ja. Ja, so ist es. Ich erinnere mich. Ich kenne dich.« Er lächelte, und die Erleichterung ließ ihn zitternd Luft holen. »Ich erinnere mich …«
    Lotte sah den Papagei hilflos an, der mit seinen roten Schwanzfedern von rechts nach links und wieder zurück über die Tischplatte fegte, während er sein Publikum beäugte. Er erwiderte ihren Blick, dann flatterte er vom Tisch und segelte anmutig auf ihre Schulter, wo er sanft an ihrem Ohrläppchen knabberte. Lotte erstarrte. Horaz hatte noch nie etwas in dieser Art getan, und sie war nicht sicher, wie es inzwischen um seine Sehkraft bestellt war. Falls sie sich bewegte, würde er ihr womöglich unabsichtlich das Ohr abpicken. Oder zumindest würde er behaupten, er habe es nicht beabsichtigt …
    »Sei tapfer, kleines Mädchen«, murmelte der Papagei in ihr Ohr. »Denk daran, er kannte mich bereits fünfzehn Jahre, als er fortging. Dich erst zwei. Es hat nichts zu bedeuten. Wir werden dafür sorgen, dass seine Erinnerungen zurückkehren.«
    »Warum hat er dich Feuervogel genannt?«, flüsterte Lotte, die nach wie vor geschockt war, dass Horaz etwas zu ihr sagte, das nicht das übliche Gemecker über ihre Hausaufgaben war.
    »Ich bin ein Feuervogel. Ein Phönix. Buchstabiere es!«
    Lottes Rechtschreibung hatte sich enorm verbessert, seit der strenge alte Papagei sie im Buchstabieren abfragte, aber Mrs Taylor hatte noch nie dieses Wort auf die Liste gesetzt.
    »Ähm. F? F-E …«
    »P-H! P-H!«, kreischte Horaz, der auf ihrer Schulter auf und ab hüpfte. »P-H-Ö-N-I-X!« Er plusterte empört sein Gefieder, sodass er aussah wie ein explodierter Staubwedel.
    »Ich werde es nicht vergessen«, versprach Lotte. Dann wurde ihr bewusst, was Horaz soeben gesagt hatte. »Du bist ein Phönix? Ich dachte, du wärst ein Papagei!«
    »Ich bin ein Papagei.«
    »Aber du hast gesagt …«
    Horaz seufzte, als hielte er sie für ziemlich begriffsstutzig. »Ich bin ein Phönix, der gerade inkognito ist.« Er warf ihr einen blitzenden Blick zu. »Und wenn an deiner erbärmlichen Schule mehr als miese Dichtkunst und diese paar blutigen Häppchen über die Ägypter unterrichtet würden, wüsstest du, was das heißt. Ich habe mich getarnt.«
    »Phönixe können sich aussuchen, wie sie aussehen wollen, Lotte«, erklärte Onkel Jack. »Horaz ist schon seit vielen Jahren ein Papagei. Ich hatte fast vergessen, was du in Wahrheit bist«, fügte er an den Vogel gerichtet grinsend hinzu.
    Horaz schnaubte verdrossen, und plötzlich explodierten seine scharlachroten Schwanzfedern in einen Strauß aus purpurn, rosa und golden funkelnden Flammen. Alle wichen einen Schritt zurück, und Lotte quiekte erschrocken, während sie sich gleichzeitig fragte, ob er ihre Haare in Brand setzen würde.
    »Schon gut, entschuldige bitte!«, sagte Onkel Jack so besänftigend, wie er sonst nur sprach, wenn die Mäuse hysterisch wurden. »Es ist mir natürlich bewusst. Ich hatte bloß angefangen, von dir als Papagei zu denken. Du hast dich nicht verändert, seit …« Seine Stimme verlor sich.
    »Nicht, seitdem er uns verlassen hat, nein«, fuhr Horaz ihn an. »Irgendwie hatte ich mein Feuer verloren«, fügte er grummelnd hinzu. Er ließ seine Schwanzfedern wieder ihre übliche scharlachrote Farbe annehmen und zupfte zärtlich an Lottes Haaren. Dann sah er zu ihrem Vater hinüber, zog den Kopf ein und stampfte nervös mit den Füßen. Lotte spürte, wie seine Krallen sich in ihre Schultern gruben.
    Tom kam näher, streckte den Arm aus, damit Horaz darauf wechseln konnte, und der Papagei tippelte schüchtern hinüber und begann an seiner Wange zu knabbern.
    Lotte beobachtete das Ganze verblüfft. Sie hatte noch nie erlebt, dass Horaz so viel Zuneigung gezeigt hatte. Egal, wem gegenüber. Lotte biss sich auf die Lippe und warf einen
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