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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin
Autoren: Ines Thorn
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mit drohenden Gesten den bevorstehenden Weltuntergang beschwor.
    Priska streifte über den Markt, betastete da eine verzierte Haube, dort ein Haarband aus Samt, hielt schließlich vor einem Stand mit frischer Butter, Käse und Eiern.
    Zwei Mägde standen vor ihr. «Reimundus, der Ablassprediger aus Rom, soll heute noch in Leipzig eintreffen», erzählte die eine aufgeregt. «Ich weiß es sicher, mein Herr sitzt im Rat.»
    «Wo steigt er ab?», fragte die andere. «Wo verkauft er die Ablässe?»
    «Im Paulinerkloster wird er nächtigen. Morgen soll es in der Kapelle des Klosters eine Predigt geben. Danach wird er die Ablasszettel verkaufen.»
    Die Mägde bekreuzigten sich, dann gingen sie davon. Priska sah ihnen nach. Reimundus, dachte sie, soll Adam die Beichte abnehmen, soll ihn reinigen von seiner Schuld. Auch ich werde zu Reimundus gehen und mich loskaufen vom Kuss der Silberschmiedin.
    «Na, ein wenig frische Butter?», fragte die Krämerin.
    Priska betrachtete die Ware, deutete mit dem Finger auf einen wachsgelben Rand an einem Butterstück. «Sie ist ranzig.»
    Die Krämerin pulte mit dem Fingernagel am Rand herum. «Ach was, meine Butter ist nicht ranzig. Die Sonne ist es, die sie verfärbt.»
    Priska ging wortlos weiter. Weil niemand im Haus in der Hainstraße mehr Zeit hatte, Brot zu backen, kaufte sie einen frischen Laib, dazu eine geräucherte Wurst und etwas Käse. Danach ging sie hinunter zum Ufer der Pleiße, um zwei frische Barsche zu erstehen. Priska liebte es, den Wäscherinnen bei ihrem Gesang zuzuhören und mit den Fischern um den Preis zu feilschen.
    Doch heute war irgendetwas anders als sonst. Priska betrachtete die Wäscherinnen, die stumm in einer Gruppe standen und zum kleinen Wäldchen hinüberschauten. Auch die Fischer starrten in diese Richtung.
    Priska beschirmte die Augen mit der Hand. Jetzt sah sie es auch. Ein Mann, gekleidet in ein Büßerhemd, ging auf das Wäldchen zu. Alle zwei Schritte sank er in die Knie, hob die Hände zum Himmel und schrie: «Herr, vergib mir meine Schuld, Herr, erlöse mich von dem Bösen.» Schließlich verschwand er zwischen den Stämmen der Bäume.
    Priska war schockiert. Das war Adam. Was trieb er da? Sie musste herausfinden, was los war. «He da, habt Ihr nichts zu verkaufen heute?», rief sie einem Fischer zu.
    Der Mann wandte sich um und nahm eilfertig zwei Fische in die Hand. «Karpfen habe ich», sagte er. «Und Flusskrebse, so viel Ihr wollt.»
    «Barsche möchte ich. Zwei Stück. Gut gewachsen und taufrisch.»
    Der Fischer nickte und holte aus einem Eimer zwei Barsche heraus. «Sind die recht?»
    Priska betrachtete die zappelnden Tiere, prüfte mit denFingern die Festigkeit des Fleisches, dann nickte sie. «Was ist los? Warum habt Ihr dem Büßer so hinterhergestarrt?»
    Der Fischer lachte höhnisch, dann tippte er sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. «Der ein Büßer? Wenn Ihr mich fragt, gehört er ins Spital. Er hat den Verstand verloren. Seit einer Woche schon kommt er täglich und fleht um Erbarmen. Einmal bin ich ihm in den Wald nachgegangen. Er hat sich gepeitscht und gegeißelt und dabei gefleht, die Dämonen sollen ihn in Ruhe lassen. Gestern lief ihm das Blut in Strömen die Beine herunter. Wissen möchte ich, was der Mann für Sünden abbüßt. So, wie er sich aufführt, ist er dem Teufel persönlich begegnet.»
    «Halt den Mund, Peter», rief eine der Wäscherinnen und kam langsam näher geschlendert. «Hört nicht auf ihn, kleines Fräulein. Er redet von Dingen, die er nicht versteht.»
    «Wisst Ihr, warum der Mann so dringend Buße tut?»
    «Wer weiß das nicht? Die ganze Stadt spricht von nichts anderem. Von einem Dämon soll er besessen sein, sagen die einen. Der Geist des verschollenen Kaufmanns Mattstedt soll ihn heimgesucht haben, die anderen. Und die Dritten wollen gesehen haben, wie letztes Jahr die blutroten Kreuze vom Himmel direkt auf sein Wams gefallen sind.»
    «Beweisen kann man davon gar nichts», erwiderte Priska.
    Die Wäscherin zog das Stupsnäschen kraus und zeigte mit dem Finger auf Priska. «Ich kenne Euch doch. Ihr seid doch aus dem Hause in der Hainstraße, nicht wahr? Aus der Silberschmiede kommt Ihr?»
    Priska nickte. Da stemmte die Wäscherin die Fäuste in die Hüften. «Und warum fragt Ihr dann nach ihm? Ist ernicht der Bruder der fremden Silberschmiedin? Hat er nicht mehrfach mit dem Ratsherrn Mattstedt bei Tisch gesessen und Wein aus demselben Krug getrunken? Ihr müsst doch am besten wissen, was mit dem
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