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Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
Autoren: Alfred Assolant
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zu Mittag, wie die Königin Victoria. Säbel und Kanonenrohr! Sie hat heute noch nicht zu Mittag gegessen. Verfluchter Leichtsinn!“
    Bei den Worten „zu Mittag gegessen“ glänzten Louisons Augen vor Vergnügen.
    Sie betrachtete ein Akademiemitglied, einen stattlichen, dicken, frischen und rosigen Biedermann, riß zwei-, dreimal das Maul weit auf und schnalzte zufrieden mit der Zunge. Von dem Akademiemitglied wanderte ihr Blick zu Corcoran. Sie schien ihn fragen zu wollen, ob der Zeitpunkt für das Mittagessen jetzt gekommen sei. Das Akademiemitglied bemerkte diesen Blick und erbleichte.
    „Nun gut“, meinte Corcoran, „ich bleibe… Und du, meine Liebe“, fügte er hinzu und streichelte Louison, „verhalte dich ruhig. Wenn du heute nicht ißt, dann holst du es eben morgen nach. Man kann nicht immerzu nur ans Fressen denken.“ Bei diesen Worten fauchte Louison leicht.
    „Ruhe, meine Dame!“ herrschte sie der Kapitän an und hob die Peitsche. „Ruhig! oder du machst mit der Peitsche Bekanntschaft.“
    Waren es die Worte des Kapitäns, oder hatte der Anblick der Peitsche die Tigerin beruhigt? Sie legte sich flach auf den Bauch und rieb ihren schönen Kopf am Bein ihres Freundes, wobei sie wie eine Katze schnurrte.
    „Meine Herren“, sagte der Präsident, „ich fordere Sie auf, sich wieder zu setzen. Wenn die Tür verschlossen und verbarrikadiert ist, so ohne Zweifel deshalb, weil der Portier Hilfe herbeiholt. Wappnen wir uns mit Geduld und warten ab, und wenn Sie wollen, können wir auf der Stelle die schöne Arbeit unseres gelehrten Kollegen Monsieur Crochet über den Ursprung und die Wortbildung der Mandschusprache prüfen.“
    „Ich glaube“, fiel der ständige Sekretär ein, „daß die ehrenwerte Versammlung sich momentan nicht der Ruhe erfreut, die für wissenschaftliche Untersuchungen förderlich ist, so daß es angemessen wäre, wenn wir die Mandschuangelegenheit auf einen anderen Tag verschieben. Aber wenn es dem Kapitän recht ist, könnte er sich für die Aufregung revanchieren und uns erzählen, weshalb wir uns heute Mademoiselle Louison gegenübersehen…“
    „Ja“, unterstützte ihn der Präsident, „Kapitän, erzählen Sie uns Ihre Abenteuer, vor allem die Geschichte Ihrer wilden Begleiterin.“
    Corcoran verbeugte sich ehrerbietig und begann seine Schilderung.
     
     
3.
Von einem Tiger, einem Krokodil und dem Kapitän Corcoran
     
    „Vielleicht haben Sie, meine Herren, schon einmal etwas von dem berühmten Robert Surcouf aus Saint-Malo gehört. Sein Vater war der leibliche Neffe des Schwagers meines Urgroßvaters. Der berühmte und kluge Yves Quaterquem, heute Mitglied des Institut de Paris, der, wie jeder weiß, die Methode entdeckt hat, Luftschiffe fliegen zu lassen, ist mein Cousin. Mein Großonkel Alain Corcoran, Spitzname ‘Rotbart’, hatte die Ehre, mit dem verstorbenen Vicomte Francois de Chateaubriand, dem berühmten Autor der Atala , dasselbe College zu besuchen und ihm am 23. Juni 1782 während der Pause zwischen halb fünf und fünf Uhr nachmittags seine geballte Faust aufs Auge zu setzen. Sie sehen, meine Herren, ich stamme aus gutem Hause; wir Corcorans können die Stirn hoch tragen und geradewegs in die Sonne blicken.
    Über mich gibt es wenig zu erzählen. Ich bin mit der Angel in der Hand geboren worden. In dem Alter, in dem andere Kinder mehr schlecht als recht das Alphabet lernen, bin ich schon mit dem Boot meines Vaters hinausgefahren; und als mein Vater umkam, als er einem in Seenot geratenen Fischkutter zu Hilfe eilen wollte, schiffte ich mich auf dem Schoner Keusche Susanne ein, einem Walfänger aus Saint-Malo, der in der Beringstraße fischte; nach dreijähriger Kreuzfahrt zwischen Nord- und Südpol wechselte ich von der Keuschen Susanne zur Schönen Emilie , von der Schönen Emilie auf den Stolzen Artaban und vom Stolzen Artaban auf den Sturmsohn , eine Brigg, die mit aller verfügbaren Leinwand ihre neunzehn Knoten in der Stunde macht.“
    „Monsieur“, unterbrach ihn der ständige Sekretär der Akademie, „Sie hatten uns die Geschichte von Louison versprochen.“
    „Nur Geduld“, erwiderte Corcoran, „hier ist sie.“ Aber ein entfernter Trommelwirbel schnitt ihm das Wort ab.
    „Was ist denn da nun schon wieder los?“ fuhr der Präsident beunruhigt auf.
    „Ich ahne es“, entgegnete Corcoran. „Das wird der verschreckte Portier sein, der die Tür verbarrikadiert hat und bei dem nächstbesten Militärposten um Hilfe gebeten haben
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