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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin
Autoren: Heidi Rehn
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ganz ihren Gedanken hingegeben hatte.
    »Was hast du gesagt?« Schuldbewusst lächelte sie ihn an. Das genügte, ihn zu besänftigen. Schon grinste er über sein bärtiges Gesicht.
    »Rechts musst du dich halten, wenn du gleich losgehst. Keine halbe Stunde, dann siehst du die Anhöhe, auf der der Hof liegt. Gleich hinter dem kleinen Kiefernwald dort hinten ist es. Berta heißt die Bäuerin. Jeder in der Gegend kennt sie und ihren Hof. Sag ihr schöne Grüße von mir.«
    »Werde ich machen.« Magdalena nickte und sprang vom Wagen. Hubertus, einer der Kaufleute, mit denen sie gereist war, tat es ihr nach. Schweigend half er, ihr kleines Bündel, in dem sie einige Instrumente, Salben und Tinkturen verwahrte, vom Wagen zu nehmen.
    »Bist du sicher, dass du wirklich dorthin willst?« Prüfend sah er sie an. Sein faltiges Gesicht wirkte besorgt. »Noch kannst du es dir überlegen. Mein Angebot gilt: Du fährst mit uns weiter nach Würzburg. Dort finden wir einen Schiffer, der dich den Main hinunter mitnimmt. Von Mainz wird es ein Leichtes sein, nach Köln zu gelangen. Eine starke Frau wie du«, er schenkte ihr einen bedeutungsschwangeren Blick, »läuft heutzutage keine Gefahr mehr, von den Burschen überwältigt zu werden.«
    »Danke, aber ich muss dorthin.« Fest drückte sie ihm die Hand. Längst bereute sie es, ihm ihre ganze Geschichte erzählt zu haben. Seither meinte er, sie beschützen und für sie sorgen zu müssen. Die Art, wie er das zu tun pflegte, erinnerte sie an ihren Vater und ein wenig auch an Meister Johann. Wie um diesen Eindruck zu bestätigen, ergänzte Hubertus: »Bis morgen Mittag warten wir in Rothenburg im Schwarzen Bären. Der lässt sich leicht finden. Das nur für den Fall, dass du es dir anders überlegst und doch mit uns kommen willst.« Noch einmal drückte er ihr die Hand, dann kletterte er auf den Wagen und hieß den Fuhrmann weiterfahren.
    Sie sah ihnen nach, bis das Fuhrwerk den Hügel hinunter war und eine leichte Wegbiegung nach links einschlug. Der hochbeladene Wagen mit der hellen Plane leuchtete noch lang aus den braungepflügten Äckern auf. Sie wandte sich nach rechts und folgte dem schmalen Pfad in den Kiefernwald.
    Die ungewöhnlich warme Witterung der letzten Wochen hielt an. Statt durch Schnee und Regen, wie es der Jahreszeit angemessen gewesen wäre, marschierte sie weiterhin durch spätherbstlichen Sonnenschein. Golden blitzte er durch die Lücken zwischen den locker stehenden Bäumen. Die Wärme tat wohl. Das lange Sitzen auf dem Fuhrwerk hatte ihre Glieder steif werden lassen. Munteres Vogelzwitschern begleitete ihren Weg. Sie versuchte, die einzelnen Stimmen zu unterscheiden: Tannen- und Kohlmeisen waren gut zu erkennen, auch der Kleiber und die Amsel gaben sich keine Mühe, ihr kehliges Singen zu verstellen. Das Kreischen eines Eichelhähers überdeckte schließlich alle anderen.
    Bald wurde der Wald dichter und dunkler. Wohltuende Stille umfing sie. Unter ihren Schritten federte der weiche Boden. Eine dicke Schicht vertrockneter Nadeln lag wie ein üppiges Polster darauf. Gelegentlich stieß sie einen dicken Zapfen mit dem Fuß an. Weit geöffnet dürsteten die Schuppen nach Regen. Neugierig blickte Magdalena ein Eichhörnchen entgegen und huschte erst davon, als sie sich ihm bereits auf fünf Schritte genähert hatte. Sie schmunzelte. Noch vor einigen Wochen hätte niemand es gewagt, eine Frau allein in den Wald gehen zu lassen. Der Friedensschluss von Münster erfüllte alle mit Zuversicht, dass die Zeiten der Räuberbanden und marodierenden Söldner endlich ein Ende gefunden hatten. Trotzdem war Magdalena froh, als sich die Bäume wieder lichteten.
    Sie trat aus dem Schatten der letzten Kiefern heraus und erblickte weitläufige Felder. Eine Anhöhe mit einer Handvoll Häuser ragte daraus auf. Das Korn war lange abgemäht, auch das letzte Heu vor Monaten schon eingebracht. Hie und da streckte ein kahler Baum seine Äste gen Himmel. Rote Hagebutten glühten an einem Strauch. Ein Eichelhäher stob auf, ein zweiter folgte ihm. Kurz darauf zog eine Feldlerche ihre Kreise über die Äcker, trillerte ihr markantes Lied, um ihr Revier zu markieren.
    Magdalenas Herz schlug schneller. Sie musste sich nicht lang umsehen, um zu wissen, dass sie die Gegend bereits kannte: Vor diesem Hügel hatte Lindström damals Rupprecht, sie und Englund mit seinen Männern gestellt. Wieder versetzte ihr der schändliche Verrat durch den alten Ludwig einen Stich. Dass sie sich so ihn ihm hatte
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