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Die Wolke

Die Wolke

Titel: Die Wolke
Autoren: Gudrun Pausewang
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herausgescheucht.
    Als sie endlich die Kreuzung hinter sich hatten und die Stadt in Richtung Gläserzell verließen, kamen ihnen nur noch wenige Wagen entgegen. Aber immer wieder wurden sie überholt, und noch bevor sie Gläserzell erreicht hatten, war eine ganze Wagenkolonne hinter ihnen.
    »Die fahren Landstraße, weil die Autobahnen bald verstopft sein werden«, meinte einer im Fond.
    »Wenn's wirklich brenzlig wird, fliegen wir weg«, sagte Lars.
    Janna-Berta wußte, daß Lars' Vater ein Sportflugzeug auf dem Flugplatz in Wernges stehen hatte. Er hatte ihren Vater einmal zu einem Flug über Schlitz eingeladen.
    »Ich wette, meine Leutchen sind auch schon beim Packen«, sagte einer von hinten. »Sicherheitsfanatiker. Und meine Oma wird den verrücktesten Krempel einpacken: Nachttischlampen oder die Unkrauthacke!«
    Janna-Berta dachte an ihre beiden Großmütter: Jo, Muttis Mutter, und Oma Berta, Vatis Mutter. Jo war Krankenschwester in Schweinfurt und verbrachte jedes zweite Wochenende auf Demonstrationen. Sie war ein bißchen anstrengend mit ihrem ewigen »Wir müssen uns alle ändern ...«, ihrem Vegetarierspleen und ihrem Tick vom einfachen Leben. Aber bei ihr fühlte sich Janna-Berta ernstgenommen. Da durfte sie mitdiskutieren. Und Jo wohnte so herrlich unaufgeräumt!
    Oma Berta in Schlitz war ganz anders. Sie war wie die Omas, die in Janna-Bertas Kinderbüchern vorkamen. Bei ihr war's wunderbar, klein zu sein! Je kleiner, desto besser. Sie konnte so schön verwöhnen und umsorgen, und sie wußte so viele alte Lieder und Geschichten. Die meisten waren traurig-schön, obwohl Janna-Berta sie oft nur halb verstanden hatte. Aber wenn's auch noch so traurig-gruselig geworden war: Die Angst hatte nie ganz nahe kommen und groß werden können. Bei Oma Berta war man sicher, da konnte einem nichts geschehen, und das Gute war deutlich sichtbar und siegte, und das Böse war noch deutlicher sichtbar und wurde besiegt. Darauf konnte man sich bei Oma Berta verlassen. Bei ihr hatte alles seine Ordnung, von den Schimpfwörtern, die man in ihrer Anwesenheit nicht verwenden durfte, bis zu den sauber gestapelten Bettlaken im Wäscheschrank. Und sie wäre nicht Oma Berta gewesen, wenn sie nicht auf jedem Spaziergang, auch bei strahlendem Wetter, einen Schirm bei sich gehabt hätte. Die Grünen hatten für sie »einfach keine Manieren«, und wenn sich Opa Hans-Georg mit Vati über Politik stritt, verzog sie sich in die Küche. Ihre Waffeln waren die besten der Welt.
    Seit einer Woche waren Oma Berta und Opa Hans-Georg auf Mallorca. Vielleicht gingen sie gerade unter Palmen spazieren. Oma Berta fehlte Janna-Berta sehr. Obwohl sie sich in letzter Zeit öfter über sie geärgert hatte. Oma Berta wollte einfach nicht einsehen, daß Janna-Berta mit ihren vierzehn Jahren schon mitreden konnte. Zum Beispiel, wenn es um Politik ging. »Schon gut, Jannchen«, sagte sie sanft, sobald sich Janna-Berta zu Wort meldete.
    Ob Oma Berta heute auch unsinnigen Kram einpacken würde? Janna-Berta war sich nicht sicher. Einerseits hatte Oma Berta die ganze schlimme Kriegszeit durchgemacht. Andererseits rief sie jedesmal, wenn Opa Hans-Georg darauf zu sprechen kam: »Sei still, ich will von diesen schrecklichen Dingen nichts mehr hören!«
    Als sie durch das kleine Dorf Hemmen im Fuldagrund kamen, hielt auf der anderen Straßenseite ein Schulbus. Kinder stiegen aus und liefen auseinander. Auf die Jüngsten warteten ein paar Mütter, die nervös gestikulierten. Janna-Berta dachte beklommen an Uli, den Zweitkläßler. Ob er schon zu Hause angekommen war? Aber das Haus war leer!
    »Traurig sehn die Kleinen nicht gerade aus«, sagte Lars. »Die freuen sich, daß sie schulfrei haben.«
    »Hoffentlich geht er wirklich auf dem schnellsten Weg heim«, dachte Janna-Berta. »Wenn ich ihn auch noch suchen muß ...«
    Es war alles so schön geplant gewesen. Erst hatte Mutti gezögert, Uli bei Janna-Berta zu lassen. Aber Vati hatte gelacht und gesagt: »Sie wird doch zwei Tage lang ihren Bruder versorgen können. Sie ist schließlich bald fünfzehn!«
    Und auch Uli hatte gedrängt. Er hatte geschworen, auf Janna-Berta zu hören, als ob sie die Mutter persönlich sei. Da hatte Mutti eingewilligt.
    »Ich werde jeden Abend anrufen«, hatte sie angekündigt.
    Und Vati hat wieder gelacht und gesagt: »Es sind ja nur zwei. Am Samstagabend sind wir schon wieder hier.«
    Gestern, am Donnerstag, hatte auch alles wie am Schnürchen geklappt. Uli hatte schon nach der dritten
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