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Die Wohltaeter

Titel: Die Wohltaeter
Autoren: Nuri Kino Jenny Nordberg
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die richtigen Worte, »... sich nicht um sie kümmern konnte.«
    »Jürgen«, stellte Ninos fest. »Ein armer Kerl, der aussteigen wollte. Da habt ihr ihm sein Kind genommen. Das meinst du wohl, wenn du sagst, dass er sich nicht um sie kümmern konnte.«
    »Jürgen war auch nicht gerade ein Unschuldsengel«, antwortete Ingrid unerwartet hitzig. »Er hatte Verbindungen zu den damals gefährlichsten Menschen Deutschlands.«
    »Und dann hat man kein Anrecht mehr auf seine eigene Tochter?«
    Ingrid ignorierte seine Frage und sagte nur: »Es wurde meine Aufgabe, mich um sie zu kümmern. Ich war ihr Kindermädchen.«
    Ingrid sah zu Boden, und Ninos spürte, wie erneut der Zorn in ihm aufflammte. »Das klingt, als ob du nicht begreifst, was du getan hast. Sie wurde entführt! Das kleine Mädchen, mit dem du auf dem Foto spielst – das war Miriam! Die jetzt alles übernehmen wird.«
    Sie hob ihren Blick und schaute ihn direkt an. »Ich und Hans, wir haben sie damals geholt. Wir haben sie entführt.«
    Ninos bekreuzigte sich kurz, um das Böse abzuwehren, das ihn plötzlich umgab. »Und dann kümmertest du dich um ein Kind, das nicht deines war.« Seine nächsten Worte spuckte er beinahe aus: »Wie kannst du weiterleben, nachdem du das getan hast? Du hastein kleines Mädchen seines ganzen Lebens beraubt, begreifst du das nicht? Und es ist ein Monster aus ihr geworden. Das vielleicht für weitere fünfzig Jahre die Ausbilder leiten wird.«
    Ingrid antwortete nicht gleich, sondern sah ihn eine Weile an. »Ich wusste nicht, was aus ihr werden sollte. Das habe ich erst Jahre später festgestellt.«
    Ninos holte einige Male tief Luft. Er wollte es einfach nur irrsinnig gern verstehen. »Warum also haben wir das alles veranstaltet? Für Hans Schmidt?«
    Ingrid zuckte mit den Schultern. »Ich wollte ihm helfen, von dort wegzukommen. Ich dachte, wenn alles erst einmal in Bewegung käme, würde es einfacher werden. Das war ein Grund. Zum anderen wollte ich auch, dass die Welt von Møller erfährt. Das musst du mir glauben.«
    »Hans hat mir erzählt, dass du mit den Ausbildern blutsverwandt bist.« Ninos fühlte sich nicht kreativ genug, noch weiter zu raten.
    »Anna. Er ist ihr Vater.«
    Ninos rief sich Anna in Erinnerung, als sie das sagte. Es konnte stimmen. »Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
    »Anna weiß nichts. Als ich schwanger wurde, war ich gezwungen, die Bewegung zu verlassen. Wir durften keine eigenen Kinder bekommen, weil es schon so viele andere Kinder auf der Welt gab, um die wir uns kümmern mussten.«
    Genauso war es, dachte Ninos. Dass sie die Ausbilder eigentlich gar nicht freiwillig hatte verlassen wollen. Er fragte sie, ob es stimmte.
    »Ich wollte lieber Anna bekommen, als zu bleiben«, antwortete Ingrid. »Und ich verstehe, dass das, was wir getan haben, falsch war. Aber ich glaube nicht, dass ich die Organisation unter anderen Umständen verlassen hätte. Ich hatte einfach nicht genug Kraft dafür.«
    Sie sah ihn flehend an. »Ich wusste nichts über die neue Kleidersammlung, die Hans geplant hat. Ich schwöre. Ich dachte, er wolle etwas ganz Neues aufbauen. Das hat er behauptet. Ich habe ihm wirklich geglaubt. Damals wollte er weder mich noch Annahaben. Ich glaubte, er hätte sich tatsächlich geändert.« Sie schüttelte traurig den Kopf.
    Ninos warf einen Blick auf das Foto, auf dem Anna tanzte. Er hatte keine Fragen mehr.

46
    MIRIAM    London
     
     
    Sie saß lange schweigend da, nachdem sie das Gespräch abgebrochen hatte. Er war nur ein kleiner Mensch. Er, der in Ungnade gefallen war, als sie noch ein Kind war, und sie zu den Ausbildern gegeben hatte. Was war er für ein Vater, der nicht nach seiner Tochter suchte? Wer war er, der sie einfach verschwinden ließ und sie dann vergaß?
    Ihr biologischer Vater hatte sich gegen sie entschieden, das hatte sie schon vor vielen Jahren begriffen. Jetzt hatte er mit einem Mal den Mut, sie anzurufen, nur weil er ihre Bitte erfüllt und die lästige Zeitung in Schweden zum Schweigen gebracht hatte. War er so dumm zu glauben, dass alles anders würde, nur weil Jesse nicht mehr da war?
    Damit nicht genug, hatte er die Frechheit besessen, ein Ultimatum zu stellen. Er verlangte, mit ihr zu sprechen. Er wollte sich erklären. Deshalb hatte Jesse zunächst damit gezögert, Jürgen darum zu bitten, die Veröffentlichung des Artikels zu stoppen. Dann hatte er sich allerdings umentschieden. Sie waren gezwungen, sich von Jürgen helfen zu lassen. Jesse hatte
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